Samstag, 11. März 2023

Zeit für draußen

Ja, Kinners, es stimmt.

Nach über 30 Jahren habe ich es getan.

Ich habe mein EMMA-Abo aufgekündigt! 

Und ich habe ein Buch geschrieben.

Ein Bestimmungsbuch über die Vögel Europas und gleichzeitig eines, das alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt.

Doch dazu später mehr.

Beginnen möchte ich mit einem Werbeslogan, der nicht von mir stammt: ZEIT FÜR DRAUSSEN.   

Wenn ihr das lest, was verbindet ihr damit? 

Kicken auf dem Bolzplatz? 

Schwimmen im Ems-Jade-Kanal? 

Hündchen ausführen? 

Stellt ihr euch vielleicht ein gemütliches Kaffeekränzchen in einem verwunschenen Garten mit alten Obstbäumen und saubequemen Gartenmöbeln vor, mit der Familie oder Freunden? Oder denkt ihr eher an einen schönen Tag im Outback, den ihr vielleicht damit verbringt, der Natur ein bisschen auf den Sack zu gehen?

Beobachtet ihr möglicherweise gar Vögel

Oder Blattläuse?

Neulich sah ich dieses Plakat in Pewsum:


Zeit für draußen, means: time for the outback. This is what the average German associates when reading a slogan like this: taking the chain saw or the mower or both together and fighting nature

Um es auf der Stelle fotografieren zu können, ging ich voll in die Eisen, sodass mein Verfolger für einen Augenblick mächtig ins Schwitzen geriet.

Das mittelständische Unternehmen Frank Daniels aus Loquard hat sich, wie ihr sehen könnt, diesen großartigen Slogan ausgedacht und zusammen mit dem passenden Bild in Form von riesigen Werbeplakaten in die Öffentlichkeit geklebt.

Und diese unglückliche Allianz aus Slogan und Foto trifft wohl den Nagel auf den Kopf, denn der Durchschnittsdeutsche verbindet wohl etwas ganz anderes mit ZEIT FÜR DRAUSSEN als ihr und ich. Motorsäge anschmeißen und alles wegsemmeln, wegflexen. Durchdrehen und Lärm machen. Ist doch jetzt auch die Zeit dafür, weil die schöne Natur allerorten zu sprießen beginnt. Man muss sie gleich im Keim ersticken, denn sonst wird das alles doch auch schnell viel zu kompliziert mit dem Bekämpfen. Und in dem Dorf, in dem ich lebe, geht diesbezüglich auch schon so richtig die Post ab! Aus allen Richtungen gelangt der fiese Motorenlärm zu meinen empfindlichen Ohren.

Reinhard Mey hat sogar mal ein Lied darüber geschrieben: klick!

ZEIT FÜR DRAUSSEN. Büsche schneiden, "Unkraut" wegmachen, Rasen erstmals in diesem Jahr mähen. Endlich. Anmähen, sozusagen, die Menschen sehen dabei so glücklich aus. Und ich will ihnen doch auch gar nicht den Spaß am Krieg gegen die Natur verderben, aber sie gehen mir einfach auf die Nüsse, und ich versichere euch, wenn das so weitergeht, dann blüht den Dörflern hier bald was ganz anderes. Nämlich das erste und letzte Kettensägen-Rasenmäher-Freischneider-Laubpuster-Rosenscheren-Gummihandschuh-und-Spaten-Massaker ihres Lebens!

In der Gemeinde, in der ich aufwachsen musste, gibt es das Rasenmäher-Paradies Stavermann. Rasenmäher. Paradies. Auf diese Wortkombination wäre ich niemals gekommen! Nicht in tausend Jahren! Dazu fällt einem wirklich nichts mehr ein. Wir Menschen sind schon komplett degeneriert, mit uns stimmt was nicht mehr, falls es überhaupt jemals gestimmt haben sollte. Ich meine, der Höhlenmensch hatte der Natur sehr wahrscheinlich nur deshalb noch nicht den Krieg erklärt, weil ihm einfach die Mittel dazu gefehlt haben.

Haaaalt, stopp! 

Ich will mich heute nicht mehr aufregen.

Und deshalb: egal.

Nonnengänse im Watt bei Pilsum:


Barnacle Goose leaving their roost

Dort haben sie die Nacht verbracht, dort sind sie sicher vor dem aus ihrer Sicht bösen Fuchs.






same


same

Die einen machten sich bereits auf zum Nationalparkhotel-Frühstücksraum, andere kamen aus anderen Richtungen angeflogen und gesellten sich erst einmal zu den immer noch herumtrödelnden Schlafmützen im Watt:



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Wenn man den Albtraum eines hiesigen Landwirtes bebildern müsste, dann käme das wohl dabei heraus:




same

Denn der Planet, ich wiederhole mich hier jetzt zum x-ten Mal, ist ausschließlich des Menschen Eigentum, und da darf es doch nicht sein, dass blöde Gänse sich auf den Feldern niederlassen und alles, aber auch wirklich alles auffressen. 

Ich meine, kein Wunder, dass sich der arme Bauer nachts verschwitzt und permanent von der einen auf die andere Seite wälzt. Was erlauben sich diese Vögel eigentlich?

Weit haben sie es jedenfalls nicht bis zu ihren Futterplätzen. Eigentlich fliegen sie nur kurz über den Deich:


Pilsum lighthouse with Barnacle Goose

Dort plappern sie unablässig vor sich hin und stopfen Gräser in ihren hübschen Körper hinein:


same

Ja, sie reden mit vollem Mund!

Ein noch junger Graureiher hat es sich zur Angewohnheit gemacht, gezielt solche Gänsetrupps im Dunstkreis des Leuchtturmes anzusteuern und zwischen den Vögeln nach Nahrung zu suchen. Abgesehen hat er es auf Regenwürmer, die es durch das ewige Trampeln der Gänse an die Oberfläche treibt. Auch Sturmmöwen kann man bei diesem Verhalten beobachten, auch sie suchen ganz gezielt Gänsetrupps auf. 

Hier war der Graureiher soeben gelandet:


this Grey Heron always forages among Barnacle Geese. He is exclusively preying on earthworms who come to the surface, caused by the walking geese (or so)

Man sieht sehr schön, wie die Gänse dem Reiher ausweichen.

Sie wissen natürlich, einem Graureiher kann man grundsätzlich nicht trauen. Und vielleicht haben sie ja sogar schon eines der unzähligen Youtube-Videos gesehen, die Graureiher zeigen beim Verschlingen eines lebendigen Entenkükens oder gar einer ausgewachsenen Blässralle.

Mit jedem Schritt, den der Graureiher ins feuchte Gras setzte, liefen die Gänse auseinander; Moses und das Rote Meer kamen mir auf der Stelle in den Sinn. Und dem Reiher gefiel das. Wirklich, ich konnte ihm förmlich ansehen, wie er seine Macht auskostete. Oft setzte er fintenmäßig zu einem Sprint an, ohne dass da ein Regenwurm zu sehen war, nur um die Gänse ein weiteres Mal aufzumischen. Und dann war da der Anflug eines Lächelns im Gesicht des Schreitvogels zu sehen, wenn man genau darauf achtete. Und das tue ich immer, ihr Ahnungslosen.

Und all das beobachtete ich, während ich oben neben dem rot-gelb geringelten Leuchtturm stand und ein ums andere Mal lachen musste.

Seht selbst:

while the Heron divided the flock into two separate groups I had to think of the the bible and Moses' crossing of the Red sea

Schließlich stand der Graureiher da und betrachtete sein Werk:



this Grey Heron had done a good job. It seemed he was satisfied

Er stemmte seine grauen Hände in die Hüften und wirkte auf mich sehr, sehr stolz.

Ein Rätsel für euch:


mystery bird

Na, erkennt ihr ihn?

Das Rätsel um den vermeintlich so unpassenden Namen des Alpenstrandläufers ist gelöst. Und eigentlich hätte ich nur Wikipedia zu konsultieren brauchen. Das hat jetzt Reni (aus Brandenburg) für mich erledigt, und die Lösung steht im Gästebuch.  

Danke!

Vier Gänse-Arten auf einem Bild, das ist der Moment, in dem der Landwirt aus seinem schrecklichen Albtraum schweißgebadet erwacht und blitzschnell in die Vertikale hochschnellt:


farmer's nightmare: a mixed flock of  four different species of geese eating on his land

Neben Grau-, Bläss- und Nonnengänsen versteckten sich hier auch einige Kurzschnabelgänse in der Menge, die ich am Ortsrand von Pilsum beobachten konnte.

Hier standen sie mal etwas abseits herum:


Pink-footed Goose

Drei Individuen laufen gerade links aus dem Bild heraus:



same

Nur eines stellte sich mutig dem Fotografen:


same

Am letzten Donnerstag sah ich schließlich drei Kurzschnabelgänse bei Visquard:


more PFG at a different spot on a different day

Der Winter 2022/23 hat mir nur drei oder vier Spornammern beschert.

Und nur eine davon konnte ich fotografisch belegen; es war dieses Männchen, das sich am 19. Februar im Deichvorland bei Manslagt zeigte:



male Lapland Longspur – this winter I have seen only few specimens

Dort beobachtete ich auch dieses Sandregenpfeifer-Paar:


one of the few remained couples of Common Ringed Plover in Ostfriesland

Was war der Sandregenpfeifer doch mal ein häufiger Brutvogel in Ostfriesland!

Der englische Name stimmt so schon lange nicht mehr; eher ist es so, dass dieser Vogel seinem bereits aus der Region verschwundenen Cousin, dem Seeregenpfeifer, nacheifert. Auf dem Festland gibt es nur noch wenige Paare, von denen die meisten auf der Schillbank bei Campen brüten (um die 20 Paare, falls noch aktuell). 

Der Grund für den Niedergang ist auch hier ausschließlich der Mensch, der die einst natürliche Küste binnen weniger Jahrzehnte komplett umgestaltet hat. Für den Sandregenpfeifer und viele andere Arten bleibt da kaum mehr Platz zum Leben. Hinzu kommen die vielen Menschen, die sich oft ausgerechnet dort erholen wollen, wo der Sandregenpfeifer brütet. Sie sind zu allem Überfluss auch noch alle taub und hören nicht einmal seine Warnrufe, wenn er Nachwuchs führt. Selbst Absperrungen oder ein ganzer Schilderwald helfen nicht immer weiter.

Doch auf den Sandregenpfeifer zu verzichten braucht man wohl auch künftig nicht, denn als Durchzügler bleibt er uns natürlich erhalten. Ab Anfang Februar kann man mit der Ankunft der ersten Vögel rechnen, und es sind zu dieser Jahreszeit auch tatsächlich immer die Brutvögel, die sich so früh im Jahr hier blicken lassen. Die nordischen Sandregenpfeifer tauchen viel später auf, in Massen ab Mitte April und bis weit in den Mai hinein.

Vom 26. Januar bis zum 13. Februar hielt sich ein Taigazilpzalp (im Folgenden TZZ) auf dem Rysumer Nacken auf. Und obwohl der Vogel dort so lange verweilte, ist es mir nicht gelungen, ihn halbwegs zufriedenstellend zu fotografieren. 

Denn er war ein armseliger Scheißvogel, der immer schon auf 30 Meter das Weite suchte. Ich kann also nur mit schlechten Belegbildern aufwarten, die, wenn ich sie betrachte, mich heute noch zur Weißglut bringen. 

So in etwa sehen sie aus:


record shot of a Siberian Chiffchaff

Ich gab alles und baute an geeigneter Stelle ein Tarnzelt auf:


hide

Und tatsächlich kam der TZZ mehrere Male ganz nah heran.

Doch das linke Arschloch war nicht dumm und machte sich den Umstand zunutze, dass Büsche grundsätzlich dreidimensional sind. Immer, aber auch wirklich immer turnte er auf der von mir abgewandten Seite kleiner Weiden herum, sodass mir schließlich beinahe die Halsschlagader geplatzt wäre. Immerhin hat es für passable Tonaufnahmen gereicht; die traurigen Rufe des seltenen Gastes könnt ihr euch auf Ornitho anhören: klick!

Mein Tarnzelt aus einer anderen Perspektive:


same

Ja, es stand wirklich an einem ganz exklusiven Ort:


same

Nämlich auf dem Grat eines der beiden Christstollen. 

Links sieht man weites Buschland, rechts den Heidelerchen-Acker, der in diesem Blog ja schon mehrere Male eine Hauptrolle gespielt hat:



cute Woodlark, taken from the archives 

Und so sieht eine Heidelerche auf dem Heidelerchen-Acker aus, aufgenommen allerdings schon vor einigen Jahren. 

Vielleicht derselbe Vogel, aber noch mit frühmorgendlichem Rauhreif auf dem Pelz: 


-10 degree Celsius on early morning

In dem Brombeer-Gebüsch da unten hielt sich der TZZ auch gerne auf:


Chiffchaff's habitat

Schnell noch zwei schlechte Bilder vom Vogel:


same bird



same

Der TZZ rief nicht nur klassisch wie ein TZZ, er sah und sieht auf den Bildern auch klassisch aus, eben wie die TZZ in den gängigen Bestimmungsbüchern.

Es gibt aber einen Zweifler aus der Schweiz, der mir (wieder einmal) geschrieben hat und meint, ein echter TZZ müsse ausschließlich braun sein und dürfe absolut kein Grün zeigen, nicht einmal auf den Außenfahnen des Großgefieders, Er meint darüber hinaus, bei meinen Vögeln habe es sich ausschließlich um Individuen aus dem nördlichen Verbreitungsgebiet der Nominatform gehandelt. 

Tatsächlich gibt es bezüglich des Aussehens und der Verbreitung dieses Taxons seit vielen Jahren unterschiedliche Auffassungen. Es gibt Wissenschaftler, die nur die braunen Vögel östlich des Jenissei dieser Unterart zuordnen (so wie der Kollege aus der Schweiz), andere wiederum sind davon überzeugt, das Areal des TZZ reiche bis zum Ural und schließe die grau-braun-grünen Vögel mit ein.

Neulich ist ein superschönes Foto von einem TZZ auf DB hochgeladen worden. Der Vogel gleicht meinem wie ein Ei dem anderen. In den Kommentaren unter dem Foto wird eine ausführliche Arbeit angekündigt, die das Resultat jahrelanger Forschung sei, so der (wahrscheinliche) Autor, und er nimmt bereits vorweg, dass eben nicht nur die Vögel östlich des Jenissei TZZ seien, sondern das Areal dieser Unterart ganz Westsibirien (also bis zum Ural) mit einschließe.

Hier könnt ihr das nachlesen: klick!

Am 14. Februar machte ich mich mal wieder mit einer gewissen Erwartungshaltung auf zum Rysumer Nacken, um eventuell doch noch schöne Fotos vom TZZ hinzubekommen, doch leider ließ er sich an diesem Tag nicht mehr blicken. Statt des TZZ turnten da nur die üblichen Verdächtigen in den Büschen herum, so von Sommergoldhähnchen bis Rotkehlchen. Ich war wirklich enttäuscht, das müsst ihr mir glauben. Ich meine, das ist wie wenn man ein Pixies-Konzert besucht und dann stehen da plötzlich die Jungs von Revolverheld auf der Bühne. 

Ein Sommergoldhähnchen im Flug:



Common Firecrest looking for food

Und, hättet ihr es auf diesem Bild als solches erkannt?

Eine Schwanzmeise:


Long-tailed Tit

Am 4. Februar zogen Zwergschwäne lauf rufend über mich hinweg:


Bewick's Swan

Gekackt haben sie aber glücklicherweise nicht. 

Ein winziges Wintergoldhähnchen zeigte sich mir an einem trüben Tag im Februar auf dem Rysumer Nacken:


Goldcrest

Und dieser vorwitzige Dohlen-Mann bat mich wieder einmal auf dem Restaurant-Parkplatz freundlich darum, ihn mit leckeren LIDL-Aufbackbrötchen und Mehlwürmern zu bewerfen:


male Jackdaw begging for lecker Aufbackbrötchen

Ich kam dieser Bitte nach.

Ich meine, schaut ihm doch mal selbst in diese wunderschönen Augen!


same

Wenn man so angesehen wird, dann schmilzt man förmlich dahin. 

Es sei denn, man ist ein ausgebuffter Emotionskrüppel!

Eine weibliche Mönchsgrasmücke naschte noch am 13. Februar die sauren und inzwischen wohl auch stark alkoholhaltigen Früchte des Sanddorns:


female Blackcap

Inzwischen sind die Ressourcen aufgebraucht, die Mönchsgrasmücken dürften abgezogen sein. 

Als Ersatz bot sich mir am 4. März meine erste Haubenlerche in Deutschland seit etwa dreißig Jahren an, und zwar am Rande eines Ackers bei Manslagt:


Crested Lark ;-)

Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich über diesen spektakulären Fund gefreut habe!

Auch dazu später mehr.

Am 6. März und somit sehr früh stand da ein Hausrotschwanz auf dem neuen und angeblich rund 30 Millionen Euro teuren Anti-Terrorzaun des Gassco-Geländes herum und sang ganz fleißig sein knirschendes Lied:



this Black Redstart was already singing at the beginning of March

Es muss sich aber nicht zwingend um einen Vogel gehandelt haben, der vielleicht zuvor in Spanien oder Südfrankreich überwintert hat und dann früh hier angekommen ist.

Erstbeobachtung  und -gesang des Hausrotschwanzes fallen hier in Ostfriesland normalerweise auf ein Datum um den 20. März herum. Es ist also möglich, dass dieses Männchen den ganzen Winter in Ostfriesland und vielleicht sogar auf dem Gassco-Gelände verbracht hat. 

Überwinternde Hausrotschwänze sind hier im Nordwesten ganz sicher keine Ausnahmeerscheinung, und wenn Vogelgucker sich mal die Mühe machten, die Industriegebiete ihrer Wohnorte genauer unter die Lupe nähmen, dann gäbe es sehr wahrscheinlich gleich eine ganze Reihe von Winternachweisen.

Hohltauben bei Hamswehrum:


Stock Dove is common year round in Ostfriesland

Diese Art ist in Nordwestdeutschland und vor allem in Ostfriesland ganzjährig eine häufige, während zum Beispiel Bayern im Winter nahezu hohltaubenfrei ist. 

Sturmmöwen fielen Ende Januar auf einem Hof zwischen Greetsiel und Visquard (Kloster Appingen) über einen Haufen Maismehl her:


these Common Gulls love to eat Mays flower, which is actually stored on a farm as food for the cattle

Eine Hohltaube ist auf dem Bild auch zu sehen.

Maismehl ist bei vielen Vögeln heiß begehrt. Ganze Scharen von Möwen, Türken-, Hohl-, und Ringeltauben schaufeln sich dieses fettreiche Zeugs tonnenweise in den Bauch hinein. Dass sie nach einer solchen Völlerei überhaupt noch fliegen können, grenzt an ein Wunder.

Der Bauer meinte mal zu mir, er habe nichts gegen die gefiederten Mitesser an sich, doch natürlich sei es nicht so schön, dass die Vögel das Maismehl, das ja als Ergänzungsfutter für seine Turbo-Milchkühe gedacht ist, mit ihrem Kot verunreinigen. 

Ich versprach ihm, mit den Vögeln darüber zu sprechen. 

Ja, es ist wahr, ich habe ein Bestimmungsbuch geschrieben.  

Ganz allein. 

Netto-Arbeitszeit: etwa 50 Stunden. 

Und meine Herangehensweise unterscheidet sich deutlich von jener der bekannten Vogelmaler. Die nehmen Stift und Zettel zur Hand und wissen schon vorher, welchen Vogel sie im nächsten Augenblick aufs Papier bringen werden. Ich hingegen habe erst einmal 3000 Vögel gemalt (eher gezeichnet) und erst hinterher entschieden, welches Bild am besten zu welcher Art passt. 

Das Resultat ist gigantisch!

Es ist ein Ausnahmewerk geworden, das den Markt revolutionieren wird – und das vor allem wegen seiner herausragenden Illustrierung! Vergesst alles, was ihr bislang gesehen habt, denkt nicht mehr an die vermeintliche Kunst schwedischer Vogelmaler. Mit dem neuen Buch werdet ihr alle Vögel binnen Sekunden bestimmen können, und das selbst dann, wenn es euch komplett an Talent fehlt. 

Und obwohl der Schinken so unglaublich prächtig geworden ist, zögert der blöde Verlag noch, ihn zu veröffentlichen. Und genau wegen dieses unprofessionellen Verhaltens wird ihm und mir sehr wahrscheinlich ein Megageschäft durch die Lappen gehen. Ich meine, der Erfolg von H&M beruhte seinerzeit vor allem darauf, dass man eben nicht lange gefackelt hat. Während normale Klamottenläden erst noch wochenlang überlegt haben, eine gewagte Textilie überhaupt ins Schaufenster zu hängen, gingen solche Teile beim Schweden bereits tausendfach über die Ladentheke.  

Eine Gebirgsstelze:




male Grey Wagtail 

Dieser Vogel überwintert zurzeit in der Krummhörner Ackermarsch.

Die Gebirgsstelze lebt normalerweise entlang von Fließgewässern. Fließgewässer gibt es aber in Ostfriesland gar nicht, jedenfalls keine, die mal so richtig Gas geben. Deshalb brütet die Art hier entweder gar nicht oder aber nur ausnahmsweise (s. u.). 

Als Durchzügler aber ist die hübsche Gebirgsstelze keine Seltenheit. 

Ab Mitte September, vor allem aber im Oktober kann man sie täglich einzeln oder in kleinen Gruppen von bis zu drei Individuen die Küste entlang nach Süden ziehen sehen, z. B. am Diekskiel. Viele dieser Vögel legen hier wohl keine Rast ein, doch auf dem Rysumer Nacken und dort vor allem im Bereich der steinernen Uferbefestigung der Emsmündung beim Restaurant kann man auch Gebirgsstelzen bei der Nahrungssuche beobachten. Das aber nur dann, wenn man der erste Spaziergänger des Tages ist, denn weil die Vögel immer so furchtbar scheu sind, verlassen sie das Gebiet auf der Stelle weiträumig, sobald sich am frühen Morgen die ersten Menschen blicken lassen. 

So sieht Wind aus:



same – this bird is currently spending the winter in agricultural farmland close to my castle. This species does not or at the most exceptionally breed in Ostfriesland caused by a lack of running water like, for instance, rivers and streams, but occurs as a regular fall migrant in small numbers from the end of September to mid of November. Spring migration does almost not exist

Und nur so kann man ihn sichtbar machen.

Dass man die Gebirgsstelze hier im Herbst (wie bei fast allen Vogelarten viel seltener im Frühjahr) während des Zuges regelmäßig sehen kann, ist nicht schon immer so gewesen!

Der alte Helgoland-Haudegen Heinrich Gätke sah sie auf seiner roten Insel im 19. Jahrhundert im Schnitt nur alle fünf Jahre; sie war dort damals also eine richtige Rarität. Heute wird sie auf dem Felsen, ähnlich wie in Ostfriesland, alljährlich beobachtet. Und dafür gibt es nur einen Grund: Die Gebirgsstelze hat ihr Areal in der Zwischenzeit erheblich erweitern und nach Norden ausdehnen können.

Und so kann man wohl davon ausgehen, dass hiesige Durchzügler vor allem aus Schweden und Norwegen stammen. 

Das Verbreitungsgebiet der Gebirgsstelze kommt ganz allgemein etwas seltsam rüber. Einerseits brütet sie in fast ganz Europa, doch dann klafft da eine Riesenlücke zwischen Polen und dem Ural. Dort beginnt dann ein riesiges geschlossenes Gebiet, das bis nach Fernost reicht. Kurios sind auch kleine und völlig isolierte Vorposten im Norden Norwegens, sogar ganz in der Nähe des Nordkaps.  

Hier könnt ihr euch die weltweite Verbreitung der Art ansehen: klick!

Dieser Vogel sieht zurzeit wie ein armes Batteriehuhn aus: 









same

Der Grund dafür: Er mausert gerade ins Prachtkleid.

Man kann jetzt erkennen, dass es sich um ein Männchen handelt, vor allem wegen der sattgelben Federn auf der Brust (s.u.), die ein Weibchen so niemals zeigen würde. Auch die pechschwarze Kehle wird sich jetzt Tag für Tag immer weiter gegen die noch hellen Federn des 1. Winterkleides durchsetzen. Interessant sind schafstelzengrüne Partien auf dem Mantel, die man auf diesen Bildern leider nur erahnen kann und die es eigentlich bei einer Gebirgsstelze gar nicht geben dürfte, weil eine "echte" Gebirgsstelze eben eine reingraue Oberseite zeigen sollte. 

Es sei denn, es hat sich noch niemand die Mühe gemacht, sich eine Gebirgsstelze genauer anzusehen.  

Leider sind mir keine Bilder vom Vogel gelungen, als der noch das komplette 1. Winterkleid getragen hat. Ich finde dieses Kleid nämlich voll schön mit der grapefruitigen rosa Brust und so weiter. Aber das Mistviech ließ sich einfach nicht mit Mehlwürmern ködern, der verfickte Querulant, der armselige.

Andere dagegen schon:



the "Crested Lark" from above was a Meadow Pipit indeed with the strong wind blowing through his hair cut

Dieser possierliche Wiesenpieper ließ sich nicht lumpen und zeigte mir gegenüber wenig Scheu:


same

Natürlich war die Haubenlerche da oben nur ein Wiesenpieper, wie ihr sicher erkannt haben werdet. 

Aber es sah lustig aus, wie der böige Wind die Frisur des Vogels immer wieder punkmäßig aufzustellen vermochte. 

Noch ein Bild vom selben Vogel:


same

Und dann tauchte er plötzlich auf:


sorry, but one more time a Water Pipit shiwed up in front of my hide

Wohin ich auch komme, der Bergpieper ist schon da:


same

Er ist natürlich der Rätselvogel von ganz weit oben:











preening

Wenn sich so ein scheuer Vogel wie der Bergpieper direkt vor dem Tarnzelt ausgiebig putzt, dann bedeutet das, dass er sich sicher fühlt und vom Beobachter nichts mitbekommt. 

Oder der Beobachter ist ihm einfach scheißegal, weil er nicht mehr so dünn wie früher ist und deshalb auch keine Chance hat, einem als Bergpieper gefährlich zu werden oder so.

Eigentlich hatte ich mit dem Bergpieper für diesen Winter längst abgeschlossen, doch wenn er sich schon vor meiner Kamera blicken lässt, dann muss ich auch abdrücken dürfen:

Weitere fünf Fotos:



































resting and watching

Über diesen interessanten Vogel gibt es für mich wirklich nichts mehr zu berichten:


same

Alles, was ihr über den Bergpieper wissen müsst, könnt ihr in diesem Blog finden und nachlesen:


with few plants

Mit etwas Grün.

Und jetzt wieder grau in grau:


watching me

Ein letztes Foto von diesem Vogel:


last picture of Water Pipit

Die Gebirgsstelze ist ein Brutvogel schnell fließender Gewässer.

Das ist der Grund für ihr Fehlen in Ostfriesland. 

Im Landkreis Osnabrück konnte ich seinerzeit aber auch Bruten an Stillgewässern finden, z. B. mehrfach am Osnabrücker Stichkanal (die Hase war hier aber nicht fern, und ein Pendeln der Vögel konnte von mir nachgewiesen werden), aber auch in einem Steinbruch bei Bramsche-Ueffeln. Keine Frage, sie hat eine ausgeprägte Schwäche für rauschendes Wasser, sie steht aber darüber hinaus auch auf felsigen Untergrund und zieht diesen schlammigem eindeutig vor, wenn sie die Möglichkeit dazu hat. 

Und diesen felsigen Untergrund gab es im erwähnten  Steinbruch. 

Vor einigen Jahren entdeckte ich mal drei junge, aber auch schon komplett selbstständige Gebirgsstelzen im Wybelsumer Polder (Stadt Emden). Das war im Spätsommer (August) gewesen und lange vor dem Beginn des eigentlichen Wegzugs der Art. Bis heute kann ich natürlich nichts Verlässliches über die Herkunft dieser Vögel schreiben. Bis heute gibt es jedenfalls keinen einzigen Brutnachweis für die Seehafenstadt und (sehr wahrscheinlich) auch keinen für Ostfriesland, und logischerweise konnte auch der leider inzwischen verstorbene Emder Vogelgucker Klaus Rettig die Gebirgsstelze in seiner 2007 veröffentlichten Avifauna nicht in die Liste der Brutvögel Emdens aufnehmen.

Eine vergleichbar frühe Feststellung wie die obige gelang mir auch am 11. August 2022 (und an den folgenden Tagen) am Norder Tief bei Neuwesteel. Zwei ebenfalls bereits selbstständige junge Vögel suchten dort an der steinigen Uferbefestigung nach Nahrung. Auch diese beiden Individuen dürften zu diesem frühen Zeitpunkt des Jahres noch keine weite Reise zurückgelegt haben, weshalb ich davon ausgehe, dass die Gebirgsstelze entweder ein sehr seltener, vielleicht aber auch nur ein gelegentlicher, also nicht alljährlicher Brutvogel Ostfrieslands ist. 

Der zurzeit bei Manslagt überwinternde Vogel sucht vor allem entlang diverser Entwässerungsgräben nach Nahrung.

Hier zum Beispiel:


melioration ditch – habitat of the wintering Grey Wagtail shown in this blog post

Gebirgsstelzen können sich aber auch (wie Bachstelzen) auf Bauernhöfen zeigen.

Das ist vor allem dann der Fall, wenn es bitterkalt ist und mächtig friert und die Nahrung in den eigentlich bevorzugten Gewässern nicht mehr erreichbar ist. Dann sieht man einzelne Vögel vor allem am Fuße von Silage- oder Misthaufen herumstolzieren, wo sich meist Sickerpfützen bilden, die aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe zu den Wärme abstrahlenden, also "arbeitenden" Haufen nicht vereisen. 

In diesem Winter sah ich zum Beispiel mehrfach eine junge Gebirgsstelze auf dem Gelände des bereits oben zitierten Kloster Appingen, doch auch bei Osnabrück waren mir solche Beobachtungen mehrfach geglückt, wie zum Beispiel auf zwei Höfen in Bramsche-Achmer, wo ich ja auch ein paar Jahre gewohnt habe.

Ich hoffe, dass sich das hier vorgestellte Männchen noch mindestens zwei Wochen in der Krummhörn aufhält, denn ich würde es sehr gerne im vollständigen Prachtkleid fotografieren. Leider ist der Vogel aber wenig kooperativ und zeigt sich nur sehr unregelmäßig am Wegesrand. Die Chance auf weitere Bilder dürfte also verschwindend gering sein.

Gebirgsstelze auf Acker, das sieht man nicht so oft:


pretty male Grey Wagtail moulting into breeding plumage

Und das ist der Ort, wo mir Berg- und Wiesenpieper sowie Gebirgsstelze vor die Linse gelaufen sind:


where I've taken all the shots of Grey Wagtail and the Pipits

Scheiße, schon wieder zu früh aus dem Pauschalurlaub am Mittelmeer zurückgekommen:

White Wagtail 

Ja, liebe Bachstelze, das kann man wohl sagen. 

Ausgerechnet jetzt, wo der Winter vorbei ist, kommt der verfickte Schnee.

So, liebe Mitmenschen da draußen, jetzt habe ich euch lang genug auf die Folter gespannt.

Sicher möchtet ihr eine Kostprobe meines herausragenden Könnens und des neuen Buches bewundern. Und ich kann eure Neugierde tatsächlich befriedigen, obwohl der Scheißverlag bezüglich des Veröffentlichens meines Werkes noch immer am Grübeln ist. 

Denn immerhin war er so freundlich, mir ein vorab gedrucktes Einzelexemplar zuzuschicken, das seit zwei Tagen sein Dasein auf Corsileins Armaturenbrett fristet. 

Achtung, so schick sieht das Frontcover aus:

my first self-written and self-illustrated field guide on European birds is (maybe) going to be published within next 100 years. This is how the cover looks like :-)

Ich kann euch zwar nicht sehen, aber ich wette, ihr seid beeindruckt.

Kinners, ich bin es auch!

 

Nachtrag vom 12. März 2023: Dieter Wensel (Wiesmoor) ließ mich heute freundlicherweise per E-Mail wissen, dass er die Gebirgsstelze zwischen 2017 und 2021 alljährlich an Schleusenbauwerken des Ems-Jade-Kanals brütend feststellen konnte und zwar ganz in der Nähe von Wiesmoor. Ob es sich nur um ein oder gar zwei Paare gehandelt hat, konnte er aber leider nicht mit letzter Sicherheit sagen. 

Bereits Ende der 1970er Jahre war es Dieter Wensel gelungen, in zwei aufeinanderfolgenden Jahren je einen Brutnachweis der Gebirgsstelze an einer Brücke über einem Vorfluter am Rande des Hopelser Waldes zu erbringen. Nachdem man die Brücke renoviert hatte, blieben weitere Bruten in den Folgejahren aus.