Mittwoch, 14. Juni 2023

Herr Himmelblau und der Engländer (Teil 1)

Im letzten Blogpost, liebe Mitmenschen da draußen, hatte ich von einer gruseligen Stimmung gegen den Wolf hier in Ostfriesland berichtet.

Was ich damals noch nicht ahnen konnte: Es sollte in Kürze in Aurich eine Demonstration gegen Isegrim geben.

Diese Demo fand tatsächlich am letzten Samstag bei herrlichstem Sommerwetter mit viel Sonne, viel Wind und noch mehr Pollen vor der Sparkassen-Arena im Westen der Stadt statt. 

Angekündigt hatten die Veranstalter, der so genannte verfickte (habe ich hinzugefügt, dichterische Freiheit und so weiter) Friesische Verband für Naturschutz e. V. (s. u.) und die bäuerliche Vereinigung Land schafft Verbindung (LsV) 3000 Teilnehmer, und 3000 Teilnehmer sollen es am Ende laut Zeitungsberichten wohl auch gewesen sein. 

Ich hatte leider keine Zeit, ich meine, ich hätte eh nichts ausrichten können, weil in dieser Republik am Ende immer jene Menschen Recht bekommen, die am dreistesten sind und am lautesten schreien. 

Dreistsein und Schreien sind aber nicht so meins.

Ich will aber auch ehrlich sein: Meine Pumpgun befindet sich gerade in der Pumpgun-Werkstatt.

Während der Kundgebung fielen unglaubliche Sätze wie: "Der Wolf hat in der von Menschenhand geschaffenen Kulturlandschaft eigentlich keine Daseinsberechtigung mehr.

Ich übersetze: Der Mensch breitet sich immer weiter aus, alle anderen Lebewesen müssen weichen. 

Eine Frau: "Warum wird der Wolf nicht ins Jagdrecht aufgenommen, Füchse werden doch auch bejagt."

Ja,  so einfach kann das Leben sein.

Ich bin sprach-, ja sogar immer noch fassungslos, möchte mich aber heute nicht aufregen und verweise auf den letzten Beitrag, in dem ich mich in sehr weiser Voraussicht ausführlich zu diesem brisanten Thema geäußert hatte. 

Heute nehme ich euch mit in ein Weizenfeld bei Manslagt:


my hide in a wheat field at Manslagt, photograph taken from the top of the dike

Ich weiß nicht, wie oft ich in der Vergangenheit schon nach den Blaukehlchen hier in Ostfriesland befragt worden bin. 

"Wo kann man sie sehen, was ist der beste Ort?" und so weiter. Meine Antwort ist immer identisch ausgefallen: "Überall, zumindest hier in der Krummhörn."

Das Blaukehlchen ist der häufigste Singvogel der Ackermarsch. Keine andere Art kann ihm zahlenmäßig auch nur ansatzweise das Wasser reichen. Wenn man sich zur Brutzeit, also ab Anfang April, früh morgens auf den Weg macht, dann hört und sieht man die exponiert auf verschiedensten Warten singenden Männchen wirklich überall und oft in einem geringen Abstand zueinander. 

Leistet man sich aber die Unverfrorenheit, sie zu übersehen, dann hauen sie sofort mächtig auf die Kacke und starten ihren einzigartigen Singflug, der keiner bestimmten Richtung folgt und ein Beleg dafür ist, dass Hormone wirklich besoffen machen können. Die Stimme der Vögel bleibt aber vom Start bis zur Landung kristallklar. 

Ich meine, selbst unter diesen erschwerten Umständen lallt man als Blaukehlchen nicht. 

Geht raus und schaut es euch selbst an!

Das Blaukehlchen gibt hier in der Krummhörn im wahrsten Wortsinn den Ton an und wird wohl nicht ganz zu Unrecht im Volksmund als die Nachtigall Ostfrieslands bezeichnet, auch wenn es die unglaublich hohe Gesangsqualität des Originals nicht wirklich erreichen kann. 

Und das Blaukehlchen wird meist auch beim Singen fotografiert!

Das ist kaum verwunderlich, denn wenn es nicht singt, spielt sich sein Leben nahezu ausschließlich am Boden ab und dort meist im Verborgenen (s. u.).  

Und deshalb habe ich mich auf die Lauer gelegt.

Darf ich vorstellen, das ist Herr Himmelblau:




Herr Himmelblau is a certain male Bluethroat with a skyblue throat, which looks completely different to all the other males

Herr Himmelblau ist das einzige Blaukehlchen, dem ich jemals einen Namen verpasst habe.

Doch der Reihe nach.

Irgendwann im Mai begann ich damit, mehr oder weniger regelmäßig Mehlwürmer auf der Traktorspur in einem Weizenfeld zu verteilen. Abgesehen hatte ich es auf eine bestimmte Schafstelze, die ganz in der Nähe, also nur wenige Meter vom Futterplatz entfernt, ihre Hauptsingwarte, eine junge Esche, unterhielt. Dieser Vogel, den ich hier ja schon zweimal angekündigt hatte, fiel schnell auf meinen Trick herein und ließ sich fortan regelmäßig am gedeckten Tisch blicken. 

Mit der Zeit war er aber nicht mehr allein, denn irgendwann tauchte dort auch ein weibliches Blaukehlchen auf:



female Bluethroat at my hidden mealworm feeder

Immer nur ganz kurz ließ es sich vor meiner Kamera blicken, um dann rasch wieder zu einem nahen Graben zu fliegen, wo es, das mutmaßte ich zumindest, am Brüten war.

Meist verging etwa eine halbe Stunde, dann tauchte es wieder auf:


same

Wenn dieser Vogel anwesend war, hatte die Schafstelze keine Schnitte.

Sie musste dann geduldig im Hintergrund auf ihre Chance warten:

this male Yellow Wagtail of British subspecies M. f. flavissima always had to wait for her chance to eat some mealworms, because the female Bluethroat was dominant as hell

Und die Chance kam immer erst dann, wenn sich das Blaukehlchen wieder verdünnisisert hatte.  

Fein essen:




eating lecker Mealworms

Tischmanieren kennt der Vogel aber ganz offensichtlich nicht.

Das Chaos, das man auf dem Bild erahnen kann, hat nur er angerichtet. Er nimmt nämlich immer einen Mehlwurm in den Schnabel und lässt ihn dann wieder fallen oder schleudert ihn gar angewidert weg. Erst jeden fünften oder so verschlingt der Engländer dann.  

Ob die alle verschieden schmecken? Oder ist das nur so eine komische Angewohnheit dieser besonderen Schafstelze?

Keine Ahnung.

Blaukehlchen sind ganz offensichtlich im Netz aktiv und betreiben dort ihre arteigenen Foren. Anders lässt es sich nicht erklären, wieso sie in so kurzer Zeit zahlenmäßig so sehr zunehmen konnten.

Der erste Kerl, der sich vor rmeiner Kamera blicken ließ, sah so aus:


first male in front of my hide

Wie lustig, die Zecke am Kinn!

Im Profil:



with a tick on the chin

Irgendwann war die Zecke satt und wieder verschwunden: 



same, but without tick one day later or so

Dann waren es plötzlich zwei Männchen, die einander mächtig auf die Nüsse gingen und permanent bekriegten:


two males

Das Heben des Köpfchens und das Strecken des Halses stellt eine Imponier- oder Beschwichtigungsgeste dar, sie war hier aber nicht etwa dem Männchen im Hintergrund gewidmet, sondern dem Weibchen im Vordergrund, das man auf dem Bild aber nicht sehen kann. 

Das Weibchen hielt nämlich auch die anderen Blaukehlchen auf Abstand und mutierte binnen Sekunden zu einer Furie, wenn einer der Kerle ihr beim Naschen zu nahe kam. Das ist wie bei Hunden oder Katzen, die man beim Essen ja besser auch nicht stören sollte.

Ein einzelnes Männchen, nachdem der Vogel im Hintergrund wieder abgetaucht war:


same male

Wie süß:


same

Das Blaukehlchen ist in der Marsch also sehr häufig.

Wenn die vielen Männchen mal nicht gerade singen, dann kann man sie und natürlich auch die Weibchen leicht bei der Nahrungssuche beobachten. Man stoppt den Wagen auf irgendeinem Wirtschaftsweg, macht es sich auf dem Fahrersitz bequem und hält die Augen offen. Nie dauert es lange, bis der erste Vogel auftaucht und den Weg entlangflitzt wie eine Maus oder ihn quert. 

Denn das Blaukehlchen ist nicht ansatzweise so auf Deckung bedacht wie die in Ostfriesland (abseits der Inseln) weitestgehend fehlende Nachtigall. Nicht selten sieht man Blaukehlchen auch auf Äckern bei der Nahrungssuche oder auf Schlammflächen von Kleientnahmestellen und das sogar dann, wenn der nächste Busch oder der nächste verschilfte Entwässerungsgraben einige Dutzend Meter entfernt ist. 

Wenn man nicht auf diese Vögel achtet, wenn mal also nichts über ihr Verhalten weiß, dann bekommt man sie auch gar nicht mit, denn trotz seiner vermeintlich so leuchtend blauen Kehle und Brust wirkt das Blaukehlchen auf Distanz oft einfach nur dunkel.

Derselbe Kerl:



same

Vor allem bei hochstehender Sonne ist das der Fall.

Und deshalb sollte man Blaukehlchen grundsätzlich nur bei tiefstehender Sonne oder an bedeckten Tagen fotografieren:


same

Die Weizenblätter und -stängel auf dem Bild könnte man auch als Schilf verkaufen.

Anders ausgedrückt: Obwohl ich die Fotos ausnahmslos in einem Kornfeld geschossen habe, wirken sie sehr natürlich. Bei Raps sähe das schon ganz anders aus.

Und dann, am dritten oder vierten Tag, stand er plötzlich vor mir:


Herr Himmelblau

Wenn ich eine Sonnenbrille dabei gehabt hätte, dann hätte ich sie mir auf der Stelle aufgesetzt!

So schön und grell leuchtete der himmelblaue Latz dieses Männchens, das in der Folge auch regelmäßig vor meinem Tarnzelt auftauchte:




same male

Dieser besonders prächtige Vogel, das stellte sich schnell heraus, war der Ehemann des hier gezeigten Weibchens:





same female as above and Herr Himmelblau's wife for one season

Das folgende Bild zeigt wieder das andere, das klassisch dunkelblau gefärbte Männchen, das hier das anwesende Weibchen zu beschwichtigen schien, indem es ihm seine blaue Kehle sowie den weißen Stern präsentierte.

Seht doch selbst:

this male, which is not the females husnband, tries to appease the female with displaying his blue throat

Gebracht hat es aber nichts.

Das Weibchen bekam einen Aggroanfall und schlug das Männchen in die Flucht.

Und, zum Vergleich, wieder Herr Himmelblau:



Herr Himmelblau one more time, note the star is almost always covered by blue feathers 

Falls ihr keinen Unterschied erkennen könnt, seid ihr (farben)blind, ihr Nichtsnutze!

Vielleicht ist euch aufgefallen, dass man den weißen "Stern", gemeint ist der alles andere als sternförmige Fleck im Blau auf der Brust, auf sehr vielen Bildern gar nicht sehen kann.

Er kann aktiv verdeckt oder eben präsentiert werden und dient der Kommunikation, einerseits zwischen den Ehepartnern, aber auch zwischen rivalisierenden Männchen. Sieht man also ein Blaukehlchen ohne Stern, dann bedeutet das nicht etwa, dass es keinen besitzt, wie oft fälschlicherweise "geschlussfolgert" (schreibt man das so?) wird.

Auch die rotbraunen Partien im Steuer zeigen die Stimmung eines Blaukehlchens an, und im Gegensatz zum Blau auf de Brust gilt das hier für beide Geschlechter:



note the female's spread tail with red pattern, which indicates aggression against the male in the foreground

Wenn der Schwanz gespreizt wird und das Rotbraun sichtbar wird, dann ist Gefahr in Verzug.

Und wenig später wurde das Männchen im Vordergrund auch schon wieder vertrieben.

Angefangen hatte die ganze Kiste aber mit der Englischen Schafstelze:


my hide in da field

Nachdem ich den Vogel angefüttert hatte, errichtete ich mein Tarnzelt.

Und es klappte sofort:


same male as above

Der Vogel machte es sich auf einer von mir spendierten Warte bequem:



same 


same

Und ein paar Tage später, das sieht man an der aufgepumpten Brust dieses hübschen Schafstelzen-Mannes, war endlich auch die Saisonpartnerin im Revier eingetroffen:


finally the female has arrived 


so cute

Sie machte einen auf verlegen und schüchtern, wusste aber sehr wohl, dass sie wirklich alle Fäden in der Hand hielt:




same

Es verhält sich also wie bei uns Menschen.

Ja, da stand die Schönheit plötzlich auf einer Weizenähre und rief:


same

Und er geriet sofort völlig aus dem Häuschen.

Er schmolz bei ihrem Anblick regelrecht dahin! 

Es wurde gebalzt, was das Zeug hält, sie flog auf und lockte, und er verfolgte sie in atemberaubendem Tempo, und es ging hin und her, mal nach links, dann wieder nach rechts, und am Ende beschlossen beide in beiderseitigem Einvernehmen, ganz mutig eine Saisonehe zu riskieren. 

Interessant ist in diesem speziellen Fall, dass zumindest das Männchen bereits ein Jahr zuvor am selben Ort ein Revier verteidigt hatte. Aber auch die Frau könnte durchaus die aus dem Vojahr sein, wie ich jetzt nach dem Vergleich einiger Bilder zu erkennen glaube. Ob dieses Paar im Jahr 2022 Bruterfolg gehabt hat – ein Nest hatte das Weibchen jedenfalls im selben Weizenfeld gebaut – oder etwa nicht, kann ich leider nicht schreiben. Ich erinnere mich, die Vögel irgendwann aus den Augen verloren zu haben, obwohl ich sie auch damals schon angefüttert hatte. 

Das Männchen, fotografiert im Mai 2022 am selben Ort, aber ohne Tarnung:



same male, photographed already in May 2022 at the same location

Ja, Kinners, die Schafstelze kann über die Jahre durchaus einen Hang zur Reviertreue zeigen, was man aber nur mitbekommt, wenn man auch darauf achtet und es sich um besonders markant gefärbte oder gar beringte Individuen handelt.

In diesem Zusammenhang muss ich leider vermelden, dass der im letzten Jahr von mir ebenfalls bei Manslagt, aber auf der anderen Seite des Deiches gefundene und ausführlich in diesem Blog vorgestellte Spanier nicht nach Ostfriesland zurückgekehrt ist, und das gilt leider auch für den Hybriden von Pilsum, den ich immerhin in den beiden aufeinanderfolgenden Jahren 2021 und 2022 am selben Ort angetroffen und beim erfolgreichen Brutgeschäft über die Schulter geblickt hatte. 

Natürlich habe ich im Mai und Juni in beiden Fällen ausgiebig die nähere und weitere Umgebung abgesucht, doch leider ohne Erfolg. Ich gehe in solchen Fällen immer davon aus, dass den Vögeln auf dem Weg nach Afrika oder zurück etwas Schlimmes zugestoßen ist, dass sie also entweder einem Menschen oder einem Greifvogel oder Falken zum Opfer gefallen sind. 

Ich werde es nie erfahren.

Apropos Jagd: Der eingangs erwähnte Friesische Verband für Naturschutz e. V. heißt mit vollem Namen Friesischer Verband für Naturschutz und ökologische Jagd e. V.

Das mit der Jagd lässt man aber ganz gerne weg, um erst gar nicht in eine finstere Ecke gedrängt zu werden. Doch das bringt natürlich nichts, wenn man sich immer mal wieder zu bestimmten Themen in der Öffentlichkeit zu Wort meldet. Von Ökologie scheinen diese Menschen jedenfalls nichts zu verstehen, denn sonst würden sie ja nicht die Beseitigung eines der wenigen noch verbliebenen Spitzenprädatoren fordern. Auch im Falle dieses Vereins handelt es sich also, wie so oft, nur um einen, der dem Blümchennaturschutz frönt, wie man ihn nur verurteilen kann: vermeintlich böse Tiere müssen weichen, die guten dürfen auch weiterhin unsere fragwürdige Gesellschaft genießen. 

Zurück zum Engländer:




with tick also for one day

Wie das obige Blaukehlchen mit temporärem Zeckenschmuck am Schnabelgrund.

Das passiert, wenn man ständig durch dichtes Halmgewirr laufen muss. 

Lecker Mehlwürmer:


same

Es verging nicht viel Zeit, da begann das Weibchen ein Nest zu bauen.

Und es mag wenig erstaunen, dass dieses Nest nur etwa 40 Meter vom Futterplatz entfernt gebaut wurde, war doch auch die Dame längst zu einem regelmäßigen Besucher vor meinem Tarnzelt geworden:


madame

Zum Vergleich ein Bild vom sehr wahrscheinlich selben Weibchen aus dem Vorjahr:


likely the same female,  photographed in May 2022 at the same spot

Beachtet bitte die Brustzeichnung, also den Dreierfleck!

Beide Aufnahmen entstanden unter unterschiedlichen Lichtbedingungen, weshalb die Farben etwas voneinander abweichen.  

Cool, oder?

Das Männchen beteiligte sich jedenfalls nicht am Hausbau, das tun Stelzen grundsätzlich nicht, aber es begleitete sein Weibchen bei den Nistmaterial-Transportflügen.

Wenn die Ehefrau neben der Treckerspur im Weizen verschwand, dann stand er oben auf einer Ähre und behielt alles und vor allem sie im Auge. Die männliche Konkurrenz schläft schließlich nie.

Manchmal sang er dann auch sein einfaches Lied:


the male made the supervisor while the female built the nest next to the right skidmark

"Psrrie!"

Nochmal das Männchen:


same

Kaum war das Weibchen mit Nistmaterial im Weizen verschwunden, da tauchte es auch schon wieder ohne auf.

Das lässt den Schluss zu, dass sich das Nest nicht allzu tief im Getreide befinden konnte; es war also zwar sehr gut versteckt, aber eben auch schnell erreichbar für die Schafstelze. 

Und das ist, wenn man schon an die künftigen Fütterungsflüge denkt, sehr praktisch. 

Kurz: Es wurden auch Eier gelegt.

Wie viele, weiß ich natürlich nicht, denn aus Gründen, die ihr sicher nachvollzeihen könnt, habe ich auf eine Kontrolle verzichtet.

Während das Weibchen brütete, stand der Kerl meist in der Nähe herum und sang:





same male

Oder er putzte sich ausgiebig:


preening

Noch zwei Bilder, aufgenommen an einem anderen Tag mit ganz anderem Licht:



same

Das Licht!

Alle hier gezeigten Vögel wurden ausschließlich am frühen Morgen gefüttert und geknipst. 

Ich legte Mehlwürmer aus und verschwand in meinem Versteck. Immer war es nur eine Sache von einer bis eineinhalb Stunden gewesen, also ein eher kurzes Vergnügen, weil es sich hier ausschließlich um wolkenlose Tage mit sehr grellem Licht gehandelt hat. Denn ich fotografierte stets nur zwischen Sonnenaufgang und jenem Zeitpunkt, wenn die ersten Sonnenstrahlen die obere Hälfte der Halme erreichten. 

Anders ausgedrückt: Ich brach auf der Stelle ab, lange bevor sich die Sonne am Grund der Traktorspur zeigen und die Vögel direkt beleuchten konnte, denn dann hätte es nur noch Schlagschatten und fiese Kontraste gegeben, die meine Kamera vor unlösbare Probleme gestellt hätten und meiner Meinung nach ohnehin nie zu schönen Bildern führen können. 

Das Licht war also sehr ausgeglichen, beinahe sogar neutral. Ohnehin hatten die vielen Vögel – zeitweilig tummelten sich neben vier Schafstelzen bis zu 10 Blaukehlchen vor meiner Kamera und es dürften insgesamt noch deutlich mehr gewesen sein (siehe nächsten Bericht) – die Mehlwürmer meist schon abgeräumt, bevor der oben erwähnte Vorhang überhaupt fallen konnte. 

Und die Blaukehlchen brüteten natürlich auch.

Im Gegensatz zu den Schafstelzen tun sie das fast ausschleßlich auf den dicht verkrauteten, geradezu verfilzten Böschungen der vielen Entwässerungsgräben. Schafstelzen mögen beim Brüten kein Gefälle, sie bauen ihre Nester entweder im Heller oder eben in Getreide- oder (sehr selten) Rapsfeldern, nach meinen eigenen Beobachtungen aber immer auf ebenem Grund. 

Und dann schlüpfte der Nachwuchs:



the offspring has hatched

Sowohl bei Herrn Himmelblau als auch beim Engländer.

Doch wie die Geschichte weitergeht, erfahrt ihr erst im zweiten Teil.

Ich habe nämlich jetzt keinen Bock mehr. 

Im zweiten Teil zeige ich euch darüber hinaus auch noch Bilder von einem ganz besonderen und von mir überhaupt nicht erwarteten Überraschungsgast.

Seid gespannt, ihr kleinen Kakerlaken

Erwähnenswert ist jetzt eigentlich nur noch ein Vogel, der sich am ganz frühen Morgen des 12. Juni leider nur sehr kurz auf dem Rysumer Nacken blicken ließ. Ich befand mich gerade auf dem Rückweg vom Emsstrand zum Restaurantparkplatz, als mich dieser bescheuerte Vogel, ganz link von hinten kommend, plötzlich links und flach (etwa meine doppelte Augenhöhe) über dem Boden fliegend überholte.

Selbst ohne Fernglas war unschwer zu erkennen, es handelte sich um eine Brachschwalbe

Diese Brachschwalbe hatte sich beim Überholen aber für die falsche Seite entschieden – okay, nach den Gesetzen der StVO war es natürlich die richtige gewesen –, denn jetzt hatte ich krasses Gegenlicht zu meistern. Zwar konnte ich, nun beim Blick durchs Fernglas, die beigebraune Oberseite erkennen, nicht aber Färbung oder gar Zeichnung der Unterflügel. In solchen Fällen gebe ich grundsätzlich alles, und so pulte ich jetzt blitzschnell die Kamera aus meinem Rucksack heraus, doch noch bevor ich sie startklar machen konnte, war das bescheuerte Mistviech bereits hinter einigen Büschen abgetaucht. 

Sollte ich diesen Vogel irgendwann doch noch zwischen die Finger bekommen, dann werde ich ihm alle Federn einzeln ausreißen, die großen mit der Hand, die kleinen mit einer Pinzette. Ich meine, wie unfair kann man als Brachschwalbe eigentlich sein? Fakt ist, im Falle einer solch armseligen Feststellung überwiegt bei mir tatsächlich die Enttäuschung. 

Ich meine, was soll so ein kurzer Auftritt? 

Wofür war der jetzt gut?

Ich glaube, es ist (überraschenderweise) erst der dritte Nachweis einer Brachschwalbe für Ostfriesland gewesen! Nach einer Rotflügel-Brachschwalbe, die bereits am 5. Juni 1963 am Großen Meer beobachtet worden war (Quelle: Die Vögel Niedersachsens), soll es noch eine recht frische Feststellung von den Hauener Pütten geben. Um welche Art es sich da gehandelt hat und wann genau der Vogel dort beobachtet wurde, weiß ich aber leider nicht.

Mein Standort während der Beobachtung sowie die verfickten Büsche im Hintergrund, fotografiert am Folgetag:






Rysumer Nacken, where I had a very brief encounter on early morning with a Pratincole which I could not identify because I had to watch into the rising sun

Ich wartete noch ein paar Minuten und hoffte auf eine Rückkehr, so wie ich es schon einmal bei einer Zwergmöwe beobachtet hatte, aber der Vogel ließ sich nicht mehr blicken.

Daraufhin fuhr ich zum Mahlbusen an der Knock, später auch in den Wybelsumer Polder, doch meine Nachsuche dort wollte nicht fruchten, obwohl mir beide Gebiete geeignet erschienen als Aufenthaltsort für eine durchreisende Brachschwalbe.   

Das nennt man Pech, das war ein neuer Dunkellaubsänger für mich, wenn ihr versteht, was ich meine. 

Alles scheiße, alles!

Ein vorletztes Bild:



Red-backed Shrike, accitentally photographed at the same spot

Ich schoss es, weil mir der blühende Schwarze Holunder aus der Distanz so gut gefiel.  

Dass da ein Vogel draufstand und dann auch noch ein männlicher Neuntöter, bemerkte ich erst zu Hause beim Blick auf den Bildschirm. 

Zu guter Letzt gibt es blühenden Klatschmohn, ebenfalls gesehen auf dem Rysumer Nacken:



pretty Common Poppy

Wie entspannend.

Ich meine, ich hasse Vögel.

Ich meine, ich muss endlich damit aufhören, sie zu beobachten. 

Mein Herz. 


Am Tag darauf: Kinners, ihr glaubt mir nicht, was ich gerade erlebt habe!

Eine Gammaeule hatte sich in meine Wohnung verflogen und flatterte da wie blöd vor dem Fenster herum. Weil sie mir gehörig auf den Sack ging und ich gerade kein Paral zur Hand hatte, fing ich sie mit meinen bloßen Händen und trug sie nach draußen. 

Kaum hatte ich die Tür geöffnet, tauchten auch schon die beiden Gartenrotschwänze auf der Wäscheleine auf (siehe letzten Bericht). Wenn die Tür sich zu dieser Tageszeit öffnet, das wissen sie ganz genau, diese kleinen Biester, dann gibt es Mehlwürmer. Der Nachwuchs steht unmittelbar vor dem Ausfliegen, es kann sich eigentlich nur noch um ein bis drei Tage handeln, wenn ich mich nicht irre, und da ist der Hunger natürlich immer groß. 

Ich ahnte, was passieren würde, und doch öffnete ich meine Hand. 50:50, sagte ich in Gedanken zum Falter, dass du davonkommst, du geile Gammaeule, doch tatsächlich hatte sie keine Chance. Der Gartenrotschwanz-Kerl machte einen auf Grauschnäpper und fing den so erratisch fliegenden Schmetterling ganz mühelos, noch bevor dieser drei Meter vollmachen konnte, um ihn dann auf der Wäscheleine stehend nach kurzer Bearbeitung selbst zu verschlingen. 

Für die Kinder gibt es schließlich Mehlwürmer.

Dank Frank!