Montag, 23. Oktober 2023

Eine Sperbergrasmücke besucht Pilsum

Heute, ihr Taubnesseln da draußen, gibt es echte Kunst.

Nur für euch.

Und zum Nulltarif. 

Also wie immer. 

Ihr könnt euch diese Kunst einfach runterladen, ausdrucken, an die Wand hängen, vorher aber bitte noch einrahmen und so weiter, um dem Ganzen wenigstens etwas Würde zu verpassen, und dann vor Freunden oder Bekannten behaupten, altmeisterlich mit Pinsel und Ölfarben umgehen zu können.

Doch dazu später mehr.

Jetzt nehme ich euch erst einmal mit ins Jahr 2014. 

Es war (einmal) der 31. August, als ich mich an der Knock aufhielt. Dort gibt es eine gut anderthalb Kilometer lange Hecke, die von Nordost nach Südwest verläuft und deren eines Ende fast bis an das Ufer der Emsmündung heranreicht. 

Für kleine Singvögel, die im Laufe des Wegzugs vielleicht aus Osteuropa oder Skandinavien angerauscht kommen, bietet diese Hecke also den letzten Schutz vor der riskanten Emsüberquerung. Und deshalb ist dort an manchen Tagen richtig was los in den Büschen! Für einen echten Knaller hat es zwar bislang leider noch nicht gereicht, doch immerhin habe ich in dieser Hecke schon so einige Gelbbrauen-Laubsänger entdecken können im Laufe der Jahre.

Ende August reifen die Früchte des Schwarzen Holunders, und Ende August ziehen vor allem auch Grasmücken, die ausnahmslos eine Schwäche haben für die Früchte des Schwarzen Holunders. Und so klopfte ich an diesem Tag mit einer gewissen Erwartungshaltung jeden Busch einzeln ab. 

Von ganz vorn bis nach ganz hinten.

Nachdem ich etwa ein Drittel der Strecke zurückgelegt hatte, entdeckte ich eine junge Sperbergrasmücke, die für einen kurzen Augenblick völlig frei in einem Holunder stand und fleißig Früchte aß. Es war für mich einfach ein schöner, eigentlich sogar spektakulärer Anblick, sodass ich vielleicht einen Tick zu lange zögerte, meinen Blick endlich vom Vogel abzuwenden, um meine Kamera aus dem Rucksack zu pulen. Und dann war die scheue Grasmücke auch schon weg. 

Noch schlimmer: Sie tauchte auch gar nicht wieder auf.

So richtig freuen konnte ich mich nicht über diese lang ersehnte Begegnung, stellt die Beobachtung eines außergewöhnlichen Vogels ohne Fotobeleg meiner Meinung nach doch nichts anderes als eine Behauptung dar.

Egal.

Diekskiel ganz weit weg:


on 8th of October the shrubbery in the far background (behind the cabin), called Diekskiel, harboured a surprise for me: a Barred Warbler!

Ein gutes Jahr später beobachtete ich auf dem Friedhof Tholenswehr in Emden Vögel. 

Dieser Friedhof besteht aus zwei Teilen: einem sehr alten mit sehr hohen Bäumen und einem noch jungen, der wie halboffenes Buschland daherkommt. Beide Teile sind durch einen Kanal voneinander getrennt, und beide Teile sind durch eine schmale Brücke, die den Kanal überspannt, miteinander verbunden, wenn ihr versteht, was ich meine. 

Am 1. Oktober sah ich auf dem jungen Teil des Friedhofes eine noch jüngere Sperbergrasmücke, die sich an den Früchten der Schwedischen Mehlbeere gütlich tat. 

Wisst ihr, was man meint, wenn man von einer Duplizität der Ereignisse spricht?

Boah ey, wenn ich meine Pumpgun dabei gehabt hätte, dann hätte ich wild durch die Gegend geschossen. Ganz bestimmt auf alles, was sich bewegt. Das Blut der ganzen Radfahrer und Spaziergänger – der Friedhof ist so eine Art Transitstrecke für alle, die nicht mit dem Auto unterwegs sind – wäre nur so durch den Stadtteil gespritzt. 

Doch die Pumpgun lag leider im Auto. 

Wie ein Jahr zuvor hatte sich die Sperbergrasmücke nämlich gerade noch rechtzeitig aus dem Staub gemacht, obwohl ich diesmal sofort meinen Rucksack von der Schulter genommen und meine Kamera startklar gemacht hatte. Und auch dieser Scheißvogel kehrte nicht zum Baum zurück. Und das musste er auch gar nicht, denn Schwedische Mehlbeeren gibt es auf dem Friedhof Tholenswehr und überall in Ostfriesland gleich baffzigtausendfach, hat man diesen hübschen Baum in der Vergangenheit doch vor allem als Straßenbegleitung angepflanzt.

Ein Feldhasilein am Diekskiel:


this sweet European Hare had a rest on a stormy day unterneath wind protecting shrub and enjoyed the sun

Diekskiel, das bedeutet im Niederdeutschen (sehr wahrscheinlich) Deichkeil. 

Und wenn ihr mal einen Blick auf die Karte riskiert, dann seht ihr, dass der Deich an dieser Stelle keilförmig ins Deichvorland hineinragt und dieses wiederum in die weite Emsmündung. Und es gibt genau an dieser Stelle einen Parkplatz mit Büschen und Hecken. Und wie an der Knock handelt es sich also auch hier um die letzten Büsche vor Holland. 

Und ich träume immer. 

Ich träume davon, hier tolle Vögel zu finden. Doch auch am Diekskiel hat es in der Vergangenheit immer nur für diverse Gelbbrauen-Laubsänger gereicht (immerhin alljährlich!) und einmal für eine Grauammer. Trotzdem muss man am Ball bleiben, darf nicht aufgeben, wenn man mal was Besonderes finden will. 

Am 8. Oktober 2023 stand ich vor einer der Hecken und beobachtete einen Trupp Wintergoldhähnchen, der durchs dichte und noch recht stark belaubte Geäst hüpfte. Im Hintergrund, auf der anderen Seite der Hecke, bewegte sich ein größerer Vogel, von dem ich aber wegen der vielen Scheißblätter allenfalls einen Umriss erkennen konnte. Doch die Kombination aus Größe und der Art, wie der Vogel sich bewegte, ließ nur einen Schluss zu: Sperbergrasmücke!

Jetzt hole ich mal aus wie ein Vierjähriger: Irgendwann in den 1990er Jahren, es war ebenfalls bereits Oktober, stand ich mit ein paar Kollegen im Nordostgelände Helgolands herum. Gemeinsam und geduldig warteten wir auf einen weiteren Auftritt einer jungen Sperbergrasmücke. Die hatte es sich schon seit Tagen in einem Gebüsch gemütlich gemacht, das an das so genannte Rondell angrenzte. Und immer mal wieder tauchte sie auf, um ganz frei auf den Baumstämmen des Rondells herumzuhüpfen.  

Und dann war sie plötzlich wieder da!

"Wenn eine Sperbergarsmücke hüpft, dann bebt der Boden", sagte einer der Beobachter ganz beiläufig und trocken (ein Mensch aus Münster, ich weiß es noch genau). 

Natürlich bebt der Boden nicht, wenn sich eine Sperbergrasmücke bewegt, doch wir alle wussten auf der Stelle, was gemeint war. Die Sperbergrasmücke kann sich schnell und flink bewegen wie alle anderen Grasmücken auch, doch wenn sie sich unbeobachtet fühlt oder einfach nur sicher, dann lässt sie es meistens ganz ruhig angehen. Sie hüpft und steht wieder für eine ganze Weile herum, blickt nach allen Richtungen und überlegt vielleicht, ob es schon an der Zeit ist, einen weiteren Hüpfer zu wagen. Das sieht sehr schwerfällig aus, fast schon gebrechlich, aber genau das ist das, was man als Sperbergrasmücke so macht, wenn man sich alleine wähnt. 

Und jetzt, am Diekskiel, war es genauso.

Die Sperbergrasmücke nutzte geschickt jede sich ihr bietende Deckung, doch irgendwann war da plötzlich eine kleine Lücke im Gebüsch, fast so eine Art Schlauch oder Rohr oder Tunnel, an dessen einem Ende ich hineinstarrte und an dessen anderem Ende der Vogel in meine Richtung blickte. 

Völlig frei stehend! 

Das war der Moment, der es mir gestattete, alle Merkmale einer jungen Sperbergrasmpücke auf einmal zu bestaunen!

Doch dann tauchte der seltene Gast ab. Die Duplizität der Ereignisse und so weiter. Eineinhalb Stunden stand ich da herum und wartete mir einen Wolf, doch ich wartete vergebens. Dann beschloss ich, mal zur Abwechslung einen Rundgang über den Parkplatz zu machen, der mir schon nach wenigen Schritten gleich zwei Gelbbrauen-Laubsänger einbrachte, von denen ich einen auch knipsen konnte. 

Wenig später, jetzt in einem ganz anderen Bereich des Parkplatzes, war da plötzlich wieder die Sperbergrasmücke, doch auch diesmal entkam sie mir, ohne dass ich auch nur den Hauch einer Chance hatte, ein Foto von ihr zu schießen. Sie ist ein Phantom, so sagte ich passenderweise und verbissen zu mir selbst, ohne den Mund zu öffnen. Doch "nur" eine Stunde später sah ich den Vogel sogar noch ein drittes Mal, wieder ganz woanders, was einerseits bedeutete, dass die Grasmücke sehr mobil war, und dass sie andererseits, von mir völlig unbemerkt, die Rasenfläche im Zentrum des Parkplatzes überflogen haben musste.  

Was für ein linkes Biest. 

Es begann zu dämmern, auch in meinem Hirn, weil ich natürlich ahnte, dass es da an diesem Tag nichts mehr für mich zu holen gab. Und weil es inzwischen nicht nur fast dunkel geworden war, sondern auch windstill und klar, rechnete ich nicht mit einer zweiten Chance am darauffolgenden Tag. Ich als Sperbergrasmücke hätte die günstigen Bedingungen für die nächtliche Abreise jedenfalls nicht ungenutzt verstreichen lassen, weil man in Ostfriesland nie genau wissen kann, ob es für eine weitere Gelegenheit reichen wird. 

Doch es kam ganz anders!

Als ich am Folgetag am Diekskiel eintraf, begann es zu regnen. Und wenn es im Falle des Pazifischen Goldregenpfeifers (siehe letzten Bericht) der Wind gewesen war, der mir letztendlich assistiert und mich zum Erfolg geführt hatte, dann war es jetzt der Regen. 

Ich setzte mich nämlich ins Auto und parkte es an jener Stelle direkt neben einer der Hecken, wo ich die Sperbergrasmücke am Vortag zuletzt gesehen hatte. Kinners, es dauerte nur eine halbe Stunde, da bemerkte ich wieder einen sich mühselig durch die Kamtschatkarosen kämpfenden Vogel, und das auch noch direkt neben mir. Ich ergriff mein Fernglas und sah immerhin den Schwanz mit seinen sehr feinen weißen Außenkanten halbwegs scharf. Sie ist es, so dachte ich ganz aufgeregt, sie ist es wirklich. 

Und so tauschte ich das Fernglas blitzschnell gegen die Kamera ein und hielt einfach drauf. Und genau in diesem Augenblick drehte sich die Sperbergrasmücke um, sodass ich ihr nun direkt ins Gesicht blicken konnte!

Das sah dann so aus:



I proudly present my third Barred Warbler here in Ostfriesland and the first, that I managed to take some blurry record shots of

Das ist eines der beiden Ölgemälde für euch.

Außen klebten baffzigtausend Regentropfen an der Scheibe der Fahrertür. 

Und weil ich zuvor bei einem kurzen Spaziergang nass geworden war, war sie zu allem Überfluss auch noch von innen beschlagen. Vor diesem Hintergrund kann man vielleicht doch von echten Spitzenfotos schreiben, ihr Nichtsnutze da draußen, die ihr sowieso nichts von dieser Materie versteht.

Derselbe Vogel im Profil:



this elusive first year specimen kept staying in this area at least for five days, but was only seen five very brief times on three of the five days. The bird did not call at all. When I took my shots from the inside of my vehicle through the side window, it was raining outside. Rain drops on the window and mist on the glass inside are responsible for the blurry appearance of these record shots. Unfortunately this bird did not grant me a second chance. Barred Warbler is likely an annual visitor to Ostfriesland, but there have only been six records since 2011. Caused by its very secretive behaviour apart from breeding sites this species must have been simply overseen for years

Der Autofokus meiner Kamera sprang hin und her. 

Im Falle einer klaren Scheibe wäre das natürlich ganz anders gewesen, aber jetzt sah ich schon meine Felle davonschwimmen. Freistil und so weiter. Doch irgendwann bekam der lahmarschige Autofokus den Vogel doch noch zu packen, wirklich kurz bevor ich (mal wieder) so richtig ausgetickt wäre. 

Ich hatte aber auch Glück, denn die Sperbergrasmücke blieb gleich eine ganze Weile auf demselben Zweig stehen. Und nachdem ich die herausragende Qualität der ersten Bilder überprüft hatte, ging ich aufs Ganze und ließ die Scheibe ein bisschen runter, um mal richtig gute Fotos schießen zu können, doch das gefiel dem Vogel überhaupt nicht. 

Auf der Stelle tauchte er ab. 

Seit dem Tag der Entdeckung hatte ich den Parkplatz an jedem Nachmittag aufgesucht. Trotzdem sah ich den Vogel erst wieder am 12. Oktober, also satte drei Tage später, als er sich für einen sehr kurzen Moment und unter einer grellen Abendsonne wieder am Erstentdeckungsort blicken ließ. Nach einem quasi aus der Hüfte geschossenen Belegfoto blieb die Sperbergrasmücke daraufhin aber verschwunden. Wie lange sie sich letztendlich am Diekskiel aufgehalten hat, kann ich nicht einmal vermuten.

Der Parkplatz am Diekskiel sieht von oben so aus: klick!

Er befindet sich direkt am Deich und sozusagen auf einem Podest. Es gibt dort eine äußere Hecke, bestehend aus zum Teil auch älteren und richtig hohen Bäumen, und eine innere, die vor allem von der Kamtschatkarose gebildet wird und die nur niedrig, dafür aber viel dichter ist als die äußere. Die Sperbergrasmücke hat sich wohl ausschließlich in der blicksichereren Hecke im Innern aufgehalten – und übrigens, wie auch die beiden Gelbbrauen-Laubsänger, nicht ein einziges Mal gerufen. 

Weil ich ja weiß, dass es euch an Fantasie mangelt, sollen mal einige Bilder das Ganze, was ich jetzt geschrieben habe, veranschaulichen:


habitat on a parking lot at the base of the dike

Rechts im Bild seht ihr die äußere Hecke, links die innere. 

Die Fotos vom Vogel entstanden übrigens direkt vor der Rosskastanie; das ist der schon recht kahle Baum mit den rotbraunen Blättern links im Bild.

Auf der gegenüberliegenden Seite sieht es so aus:



















same

Der Zufahrtsweg zum Parkplatz zwischen Hecke und Deich:


same

Dramatik pur am Himmel:


dramatic scenery on a stormy day

Die "Rosskastanienhecke" von der anderen Seite betrachtet:



where I photographed the bird

Es hängt vom Wind ab und aus welcher Richtung er bläst, wo man am Diekskiel am besten nach Vögeln gucken sollte.  

Die suchen sich natürlich immer die ruhigsten Bereiche aus. Mal schaut man also besser von innen ins Buschwerk hinein, mal geht man ganz außen herum:



same

Und wie die Vöglein, so auch die Hasileins:


Hasilein, second specimen. Note different facial pattern

Das Bild zeigt ein zweites Individuum.

Unterscheiden kann man die beiden Bestien anhand ihrer verschiedenen Gesichtszeichnungen. Schaut mal genau hin!

An stürmischen und kühlen Tagen weiß ich immer ganz genau, wo ich diese beiden Feldhasen, die den Parkplatz unter sich aufgeteilt haben, suchen muss. 

Aber nur dann, wenn Wind und Sonne nicht aus derselben Richtung kommen. Denn dann gibt es am Diekskiel kein beschauliches Plätzchen für so ein Langohr, wo es sich die Sonne auf den hübsch gefärbten und gezeichneten Pelz brennen lassen kann. Und an manchen Tagen gewinnt man sogar den Eindruck, dass der Scheißwind aus allen erdenklichen Richtungen gleichzeitig pustet und jeden noch so versteckten Winkel findet. 

Auch Libellen suchen sich bei Wind am Diekskiel die besten Plätze raus:


pretty male Migrant Hawker

Die einzige Edellibelle, die man im Herbst auf dem Parkplatz antrifft und das meist auch in größerer Zahl, ist die hübsche Herbstmosaikjungfer.

Und wenn der Wind stark zunimmt, steigt auch die Zahl der Großen Heidelibelle (Bilder aus dem Archiv) binnen kurzer Zeit rasant an: 



on stormy days Common Darter is an abundant species at Diekskiel (taken from the archives)

Woher diese Tiere stammen und ob sie an stürmischen Tagen vielleicht auch aus großerer Entfernung Richtung Deich verdriftet werden, kann ich nicht schreiben. 

Am 10. Oktober schnappte sich ein weibchenfarbener Merlin einen jungen Star als Frühstück: 




Merlin with already beheaded Starling

Und damit ein Beutetier, das kaum weniger gewogen haben dürfte als er selbst. 

Pfeifenten südlich des Pilsumer Leuchtturmes und nördlich vom Diekskiel: 


Eurasian Wigeon

Alpenstrandläufer am selben Ort:


Dunlin

Ein Traum für jeden Binnenländer, oder?

Eine Bekassine versteckte sich ganz gut auf diesem abgeernteten Kartoffelacker: 


Common Snipe

Aber nicht gut genug für meine Adleraugen. 

Kleiner Tipp: Es war die nicht ganz passende Färbung, die sie verraten hat. 

Ein Eisvogel fischte am 5. Oktober an einem Graben am Rande der Salzwiesen und somit auf der Seeseite des Deiches:


Kingfisher

Eine diesjährige Feldlerche von vor ein paar Tagen:


Skylark had a rest and was surprisingly confiding

Dieser Vogel, das soll nicht unerwähnt bleiben, war die zutraulichste Feldlerche meines Lebens!

Bis auf etwa fünf Meter kam sie auf mich zugelaufen, um ganz entspannt an diversen Salzpflanzen (statt Salzletten) zu knabbern. Leider begegnete ich dem Vogel gegen Mittag, und am Mittag kann man grundsätzlich keine schönen Bilder schießen, nicht einmal im Dezember. 

Goldregenpfeifer


Golden Plover with Lapwing

Einen Kiebitz und viel Regen von der Seite gab es für mich am 13. Oktober zu erleben:


much rain and a Lapwing

Natürlich waren es mehrere Kiebitze!

Und beachtet bitte auch den Kampfläufer rechts im Bild. 

Bereits am 23. September entdeckte ich diese hübsche Schnake mit gemusterten Schwingen im verbotenen Garten, wo sich der Iberienzilpzalp wochenlang aufgehalten hat:


kind of Tipula ...

Bemerkt habe ich sie eigentlich nur deshalb, weil sie immer wieder so fürchterlich husten musste, war es doch recht frisch an diesem Morgen.

Der rote Backstein auf diesem Bild spielt aber keineswegs nur eine Nebenrolle! 

Ich weiß nicht, ob es euch aufgefallen ist, aber dieser nicht nur Ostfriesland, sondern ganz Norddeutschland so prägende Baustoff stirbt sehr wahrscheinlich bald aus. 

Zumindest wird er bei aktuell aus dem Boden gestampften Eigenheimen (Würfeln!) dem Anschein nach fast gar nicht mehr eingesetzt. In den (viel zu) vielen Neubaugebieten um mich herum (z. B. Greetsiel, Pilsum, Pewsum und so weiter) sieht man jedenfalls kein einziges rotes Haus mehr! Und das finde ich bedenklich, denn der rote Backstein ist aus meiner Sicht aus dem Norden nur sehr schwer wegzudenken. 

Vor allem die ganz alten Generationen solcher Steine, wie sie die Außenhaut der historischen Bauten der Krummhörner Warfendörfer schmücken, sind mit das Schönste, was man sich für eine Mauer vorstellen kann. Kein Stein gleicht dem anderen, alles Unikate, sowohl bezüglich ihrer Form als auch der Färbung. Und dann, sozusagen als Sahneklecks auf dem noch dampfenden Apfelkuchen, der zum Backsteinrot so schön passende weiße Mörtel aus gebranntem Muschelkalk, wie man ihn hier früher wohl ausschließlich verwendet hat. 

Daran kann man sich wirklich nie satt sehen. 

Und das wird jetzt nach und nach durch Neumodisches ersetzt. 

Okay, die Backsteine jüngeren Datums besaßen schon lange nicht mehr den Charme des Vielfältigen ihrer Ahnen, sahen im Grunde alle aus wie geklont:


Red Underwing

Diesem Roten Ordensband, fotografiert bereits am 11. September am Mahlbusen bei Neuwesteel, wird das nichts ausgemacht haben. 

Schlecht getarnt war es an diesem Tag ohnehin. 

Oh, ein Silberreiher:




Great White Egret

Und wenn ein solcher Reiher reihert, dann sieht das so aus:


same

Vielleicht hatte der Vogel zuvor einen unbekömmlichen Fisch verschlungen.  

Fischvergiftung, ihr wisst. 

Stare am Deich bei Manslagt:








Starling

Und zu guter Letzt – jetzt bitte nicht erschrecken! – ganz neue Lebensformen, herangezüchtet in meinem eigenen Kühlschrank:

I created something special in my fridge

Ich wette, diese Schale mit Dosenpfirsichen hat meine Vermieterin dort ganz absichtlich und heimtückisch hinter den ganzen Milchtüten versteckt. 

Kinners, ich werde sie eines Tages töten müssen. Ich habe doch gar keine andere Wahl.

Auch wenn das Farbenspiel wirklich hübsch ausschaut, ja, aber Konservenpfirsiche habe ich in meinem Leben wirklich noch nie gemocht oder gar freiwillig gegessen.  

Achtung, es folgt das Verbreitungsgebiet der Sperbergrasmücke:


distribution of Barred Warbler (taken from the beautiful and important website of Xeno-canto!

Die ganzen Kreise, die einem hier etwas die Sicht auf die eigentliche Karte versperren, symbolisieren jeder für sich eine Ruf- und/oder eine Gesangsaufnahme.

Denn Xeno-canto (im Folgenden XC) ist, das hatte ich in den beiden letzten Berichten zu erwähnen vergessen, eine Seite, auf der man sich die Stimmen fast aller Vögel dieser Welt anhören kann. 

Und wofür ist das gut? 

Meine Fresse, stellt euch doch nicht blöder an als ihr seid! 

Wenn man im Outback einen Ruf oder Gesang hört, einem aber keine passende Art als Urheber dazu einfallen will, dann kann man alles aufnehmen und zu Hause mit den Stimmen all jener Spezies abgleichen, die einem in den Sinn kommen. 

XC spielt für mich aber auch noch eine andere, mindestens ganuso wichtige Rolle: Auf dieser Seite schaue ich mir immer die Verbreitungsgebiete jener Arten an, die gelegentlich in Deutschland oder Europa auftreten, deren Areale aber nicht in den Bestimmungsbüchern gezeigt werden können, weil sie sich weit außerhalb der behandelten Gebiete befinden. 

So von Dunkellaubsänger über Dickschnabelrohrsänger bis hin zur Baumstelze

Ja, auch die kann hier theoretisch mal auftreten, auch wenn es bis heute noch keinen einzigen echten WP-Nachweis von ihr gibt.

Angefangen hatte alles bereits 2005 und damit, dass zwei niederländische Vogelfreunde die Stimmen der Vögel Zentral- und Südamerikas einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen wollten. Doch schnell lief alles aus dem Ruder, im positiven Sinne, und es kamen immer mehr Aufnahmen aus aller Herren Länder hinzu. Heute ist XC die Anlaufstelle für alle Menschen, die sich für Vogelstimmen interessieren.

Kurz: eine megageile und sehr wichtige Seite, die auch ich sehr oft aufrufe!

Die Sperbergrasmücke ist für mich ein ganz besonderer Vogel. Seit meinem Umzug nach Ostfriesland hatte ich gezielt nach ihr gefahndet. Bekannt war sie mir allerdings schon zuvor aus dem Brutgebiet auf dem Balkan gewesen, doch einen Durchzügler vor meiner eigenen Wohnungstür zu finden, das war für mich die Herausforderung schlechthin.

Doch warum lässt sich dieser Vogel so selten in Ostfriesland blicken? 

Die Antwort erscheint zunächst ganz einfach. Mitteleuropäische Sperbergrasmücken ziehen nach Südost ab, überfliegen die Türkei, den Rest des Nahen Osten, um schließlich ihre Winterquartiere in Ostafrika zu erreichen. Auf der Karte seht ihr, die Art besitzt ein sehr großes Areal, das von Mitteldeutschland im Westen bis in die Mongolei im Osten reicht, und trotzdem überwintern fast all diese Vögel in einem überschaubaren Gebiet, das vor allem Kenia, aber auch den Norden Tansanias umfasst.

Und obwohl die Sperbergrasmücke ein Zugvogel der so genannten Ostroute ist, wie übrigens auch der Neuntöter, der gerne seinen Lebensraum mit der Sperbergrasmücke teilt, lässt sie sich ganz schön oft im Westen blicken. Und zwar so oft, dass die Niederländer sie bereits mit Beginn des Jahres 1993 aus der Liste der durch die CDNA (NL-Seltenheitenkommission) zu beurteilenden Arten gestrichen haben. Seit 1964 ist die Sperbergrasmücke in den Niederlanden in jedem Jahr festgestellt worden, obwohl sie dort nicht brütet (Quelle: Dutch Avifauna). 

In Großbritannien lief es noch besser: Dort sind seit 1968 alljährlich im Schnitt mindestens 100 Sperbergrasmücken entdeckt worden! Allein im Jahr 1995 konnten dort 195 Nachweise erbracht werden, wovon wiederum fast ein Drittel von den Shetlands stammte (Quelle: Dutch Avifauna)!

Und zu guter Letzt soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Art auch auf Helgoland längst alljährlich festgestellt wird und dort Jahre mit nur ein oder zwei Nachweisen bereits als unterdurchschnittlich oder "schwach" bezeichnet werden (Quelle: Jahresbericht OAG Helgoland). 

Und bei uns in Ostfriesland?

Seit dem Stapellauf von Ornitho.de im Jahr 2011 hat es gerade mal für sechs Vögel gereicht.  

Sechs Sperbergrasmücken in zwölf Jahren! 

Gerade mal eine halbe per annum.

Drei dieser wenigen Nachweise, ich will mich nicht selbst loben, stammen von mir und vom Festland, wie ihr ja bereits erfahren habt, jeweils ein weiterer von Borkum und Baltrum und ein letzter aus Wiefels. 

Dieser Vogel ist besonders interessant, hat es sich doch um ein singendes Männchen gehandelt, das im Mai 2017 für mehrere Tage ein Revier auf einer Deponie am Ortsrand besetzt hielt. Frühjahrsnachweise westlich des geschlossenen Areals sind bei dieser Art die absolute Ausnahme (siehe unten)!

Das Gros der Vögel, die Masse der Nachweise also, wenn man so will, taucht erst auf dem Wegzug auf und zwar ab Mitte Juli und bis Mitte Oktober mit einem Peak um die Monatswende August/September herum, und es handelt sich dann (nahezu) ausschließlich um diesjährige Indivduen, wie das ja auch bei meinen drei Sperbergrasmücken der Fall gewesen ist.

Wiefels liegt übrigens bereits im Wangerland und somit im Kreis Friesland, der wiederum dem Oldenburgischen angehört. Weil sich das Revier aber exakt auf der Grenze zum Kreis Wittmund befand und die Melder davon ausgehen, dass der Vogel auch Ostfriesland besucht haben dürfte, obwohl das nicht beobachtet worden ist, wie man mir auf Nachfrage geschrieben hat, zähle ich ihn einfach mal großzügig mit, um das halbe Dutzend vollmachen zu können.  

Vor Ornitho, also vor dem Jahr 2011, soll die Sperbergrasmücke bereits auf allen Inseln nachgewiesen worden sein; es dürfte sich hier aber nahezu ausschließlich um für die Beringung gefangene Individuen gehandelt haben. Über Nachweise auf dem Festland im 20. Jahrhundert und vor dem Start von Ornitho weiß ich nichts.

Die wenigen Beobachtungen in Ostfriesland sind wohl vor allem der viel geringeren Beobachterdichte im Vergleich mit den Niederlanden, Großbritannien und natürlich auch Helgoland geschuldet, mglw. auch einer weniger ausgeprägten Fangaktivität. Die meisten der in den Niederlanden festgestellten Individuen bis zur Streichung der Art aus der Meldeliste waren nämlich, wie auf den ostfriesischen Inseln, zufällige Fänglinge, die unter normalen Umständen wahrscheinlich nicht entdeckt worden wären. 

Quintessenz. Man kann davon ausgehen, dass die Sperbergrasmücke ein alljährlicher Gastvogel in Ostfriesland ist, die Zahlen in NL, UK und auch auf Helgoland legen das nahe, doch wegen ihrer extremen Unauffälligkeit, bedingt durch ihr sehr heimliches und verstecktes Verhalten, einfach übersehen wird. Im Falle des Vogels vom Diekskiel handelt es sich nicht zuletzt um die erste und bislang einzige jemals in Ostfriesland fotografierte und somit sauber belegte Sperbergrasmücke!

 

Meine Fresse, so viel Aufhebens um einen Vogel, der bei mir um die Ecke brütet, sogar in meinem Garten oder auf der Terrasse, werdet ihr jetzt bestimmt denken, wenn ihr in Mecklenburg-Vorpommern lebt oder in Brandenburg oder in Sachsen oder in Thüringen oder in Sachsen-Anhalt oder in – Niedersachsen!

Ja, ihr habt richtig gelesen, auch in Niedersachsen gibt es brütende Sperbergrasmücken. 

Und zwar im östlichsten Zipfel dieses Bundeslandes, im Wendland, im Amt Neuhaus sowie im Drömling, wo das Klima schon etwas kontinentaler ist als hier an der ewig luftfeuchten Nordseeküste. Wie kopfstark der Bestand dort ist, ist mir aber nicht bekannt. In der jüngeren Vergangenheit sollen es aber wohl immer zwischen 200 und 250 Paare gewesen sein. Bekannt ist mir aber, dass die Zahl jahrweise stark schwanken kann, was für eine Population am Rand des Areals aber nicht ungewöhnlich ist. 

Interessant sind historische Brutvorstöße der Sperbergrasmücke nach Westen, wie es sie wohl vor allem im 19. Jahrhundert gegeben hat. Und so sind für diese Zeit auch Bruten aus Aurich überliefert, sogar in mehreren aufeinanderfolgenden Sommern! Der letzte Hinweis auf brütende Sperbergrasmücken in Ostfriesland stammt aus dem Jahr 1974 und von der Insel Borkum (Quelle: Die Vögel Niedersachsens und des Landes Bremen). 

Vor diesem Hintergrund erscheint das singende Männchen von Wiefels in einem ganz anderen Licht, und tatsächlich muss man wohl auch künftig durchaus mit einzelnen Sperbergrasmücken-Bruten oder zumindest singenden Männchen im platten Norden oder Westen der Republik rechnen, wie das ja auch eine erfolgreiche Brut 1997 in der Wahner Heide bei Köln eindrucksvoll belegt. Diese Brut war bereits in den Vorjahren durch ein singendes Männchen geradezu "angekündigt" worden.

In Ostfriesland könnte ich mir so einen Vogel besonders gut auf dem Rysumer Nacken vorstellen, wo sich doch auch der Neuntöter als bester Budddy der Sperbergrasmücke seit einigen Jahren so wohl fühlt, und natürlich auf allen Inseln.

Gerade in Zeiten, in denen sich viele südliche Arten auf den Weg nach Norden machen und östliche auf den Weg nach Westen, bedingt durch den Klimawandel, sollte man also auch die großartige Sperbergrasmücke immer auf dem Schirm haben, wenn man im Frühjahr ins Outback geht. 

Schaden kann das jedenfalls nicht.

Ich habe übrigens versucht, die Sperbergrasmücke vom Diekskiel anzufüttern und deshalb so eine Schale mit lecker Mehlwürmern ins Gestrüpp montiert:


I tried to lure the Barred Warbler in front of my lens and offered some mealworms, but the only bird that appreciated my support was a Robin

Doch der einzige Vogel, der mir auf den Leim ging, war dieses Rotkehlchen.  

Aufgrund der bereits relativ kräftigen Sperberung auf den Flanken und der blaugrauen Oberseite könnte ich mir vorstellen, dass es sich bei der Sperbergrasmücke vom Diekskiel um ein junges Männchen gehandelt hat. 

Doch das nur der Vollständigkeit halber.

Oh, ein Iberienzilpzalp:






this Iberian Chiffchaff has spent a couple of weeks in Greetsiel from the end of July until the middle of October. The bird was last seen 10th. 

Dieser Vogel, dem ich ja einen eigenen Bericht gewidmet habe (nur zwei Klicks von hier entfernt), dürfte inzwischen abgereist sein. 

Zuletzt habe ich ihn am 10. Oktober im verwilderten Garten am Ortsrand von Greetsiel beobachten können.  Interessant ist, dass ein über viele Wochen zeitgleich auf Helgoland verweilendes zweites Individuum sich nahezu im selben Moment auf den weiten Weg gemacht zu haben scheint, denn es wurde nur einen Tag später, also am 11. Oktober, letztmalig im Nordostgelände der Insel gesichtet oder gehört. 

Beide Vögel haben Deutschlands kühlen Norden also hoffentlich gerade noch rechtzeitig und vor dem Eintreffen der ersten Herbststürme verlassen:


fall

Und falls sie nicht gestorben sind, wünsche ich ihnen eine gute Reise!