Samstag, 8. Juni 2024

Ostfriesen saufen ab!

Seltene Orchidee verhindert Deichbau


Was es mit dieser kaum reißerischen Doppelüberschrift, wie man sie sich ganz bestimmt sehr gut auf der Titelseite der BLÖD vorstellen könnte, auf sich hat, verrate ich später.

Und ich erzähle euch heute, warum alle Bestimmungsbücher, die sich mit der europäischen Vogelwelt beschäftigen, komplett neu geschrieben werden müssen.

Darüber hinaus werdet ihr heute erfahren, wie und durch wen es der offizielle EM-Ball eigentlich zum Eröffnungsspiel am 14. Juni 2024 in die Allianz-Arena schafft und welchen Weg er zurücklegen muss und so weiter. 

Und schließlich löse ich ein Suchbild auf, weil ich das in einem früheren Beitrag einfach vergessen hatte. 

Das ist 'ne ganze Menge, wie ich finde. 

Und 'ne ganze Menge habe ich in den letzten Wochen wieder gelernt da draußen im Outback.

Und dieses neu erarbeitete Halbwissen gebe ich heute an euch weiter – für lau, wie immer.

Trotz zurzeit vorherrschender klirrender Schafskälte. 

Und obwohl ich in den letzten Wochen sehr gelitten habe unter den verfickten Gräserpollen, die wirklich auch noch den verstecktesten Winkel aufsuchen, nur um mich zu quälen. 

Mehr jedenfalls als in den letzten Jahren. 

Kinners, eigentlich hatte ich euch heute eine Geschichte über den Steinkauz erzählen wollen, doch die muss warten. Ich meine, man sollte die richtige Reihenfolge schon irgendwie einhalten. Und deshalb zeige ich euch heute Fotos von einer weiteren weiblichen Ringdrossel, die ich bereits Anfang Mai auf dem Rysumer Nacken geschossen hatte.

"Kuckuck, hier bin ich!"


female Ring Ouzel, photographed already at the beginning of May at so called Rysumer Nacken

Bevor sich dieser Vogel dort blicken ließ, hatte ich ja bereits ein anderes Weibchen an selber Stelle fotografiert (siehe vorletzten Bericht).

Dieses erste Weibchen war etwa zehn Tage an meinem Ringdrossel-Futterplatz geblieben, doch dann weitergezogen, weil ich eine ganze Woche nicht in Ostfriesland war und somit auch kein Futter mehr auslegen konnte. Okay, natürlich wäre der Vogel auch irgendwann abgezogen, wenn ich hier geblieben wäre, denn auch als Ringdrossel muss man doch auch mal Kinder machen, und als in Ostfriesland rastende Ringdrossel brütet man vor allem in Skandinavien.

Drei weitere Bilder:



all images show the same specimen, which is not identical with the one I introduced here two blog posts before (see title)



it was quite easy to take shots of this bird because I fed it with mealworms and used a hide

Auf dem letzten Bild könnt ihr schon ein Merkmal erkennen, das die Ringdrossel sicher von der Amsel unterscheidet und das in keinem Bestimmungsbuch erwähnt wird.

Schüttel dein Haar:


shake it off

Voll süß!

Dass es sich hier um einen anderen Vogel handelte und nicht etwa um dasselbe Weibchen, das ich bereits vor dem Antritt meiner einwöchigen Osnabrück-Reise abgelichtet hatte, bemerkte ich sofort, denn dieses Individuum verhielt sich ganz anders als das erste.

Es war immer sichtbar. Es tauchte nicht ab zwischen den Mahlzeiten, wie es der erste Vogel immer getan hatte. Der war nie zu sehen gewesen, wenn er nicht gerade Hunger hatte, doch das zweite Weibchen lief immer nur ein paar Meter bis zum Gebüschrand, um dort in Ruhe zu verdauen und sich zu pflegen und zu dösen und so weiter.

Ich hatte diese Ringdrossel also wirklich durchgehend im Blick:





this bird was much more confiding than the first female

Und sie kam ganz nah heran und zeigte deutlich weniger Scheu als Vogel Nummer eins:





close up 

In einem der letzten Berichte hatte ich ein Rätselbild gezeigt und gefragt, wer sich denn darauf verstecke:


who is hinding here, I asked in one of the last posts, but forgot to reveal the answer

Die Auflösung aber hatte ich unterschlagen (Folge meines Alters und so weiter): 




do you see him now?

Und, seid ihr jetzt schlauer?

Okay, es ist ein Taubenschwänzchen:


my first Hummingbird Hawk-moth in 2024

Das erste für mich in diesem Jahr!

Einmal war ich im Mai mit dem Makroobjektiv auf dem Rysumer Nacken unterwegs und habe da so Einiges gefunden:


Four-spotted Skimmer before sunrise

Zum Beispiel einen hübschen Vierfleck für euch.

Es war ein wunderschöner Morgen mit viel Tau und noch mehr Bodennebel:



much dew and fog, so beautiful

Ein weiterer Vierfleck wartete im Kraut geduldig auf die wärmende Sonne:


lateral view of another Four-spotted Skimmer

Da waren dicke Tautropfen auf den Augen zu sehen, doch für die körpereigenen Scheibenwischer war es zu diesem frühen Zeitpunkt des Tages einfach noch zu kalt.

Betriebstemperatur und so weiter. 

Nonnengänse zogen über mich hinweg:


Barnacle Goose

Direkt neben dem Weg fand ich ein hübsches Feenlämpchen:


Agroeca brunnea did this

Tatsächlich handelt es sich hier um den Kokon einer Großen Feenlämpchenspinne, die eigentlich mit einer Körperlänge von unter einem Zentimeter eher klein ist. 

Wenn es dunkel wird am Abend, beginnt dieses Lämpchen zu leuchten. Das sieht man aber nur, wenn man nicht stocksteif durchs Leben geht und über ein gerüttelt Maß an Fantasie verfügt. Auf jeden Fall ein hübsches und irgendwie auch märchenhaftes Konstrukt, das die Spinne im Schutze der Nacht an einen Pflanzenstängel gesponnen hatte, um mir eine Freude zu bereiten.

Vielleicht.

Eine Gelbe Dungfliege an Wiesenkerbel:


Yellow Dung Fly

Und eine Gemeine Blutzikade:



Black-and-Red-Froghopper

Beide garniert mit Tautropfen, die die Oberflächenstruktur besonders der Zikade so perlenmäßig aussehen ließen wie die Haut einer Gila-Krustenechse.

Wiesenkerbel am Straßenrand:


Cow Parsley

Die Ringdrossel kam wirklich richtig nah heran:


what's up

Sogar so nah, dass ich Portraits von ihr schießen konnte:



very close

Glücklicherweise war das Licht in diesem Augenblick wirklich perfekt.

Es war bedeckt und regnete sogar leicht, während sich die Wolken in meinem Rücken etwas aufhellten, die Sonne aber nicht zum Zuge kommen ließen.  

Sehr schön, doch trotzdem bevorzuge ich eher Bilder, auf denen so ein cooler Vogel in seiner ganzen Pracht zu sehen ist:




curious bird

Zwischen den Mahlzeiten wurde in der Nähe geruht:



resting on a branch after a heavy meal

Wenn Vögel gähnen, dann sieht das so aus:



yawning

Im Gegensatz zu uns Menschen reißt ein Vogel sein Maul aber nicht stundenlang auf.

Alles geht blitzschnell, auf und schon wieder zu. Da braucht man sich nicht einmal mehr die Hand vor den Mund zu halten. Ich meine, so schnell bekäme man sie auch gar nicht hoch und so weiter.

Und wenn sich die Ringdrossel streckte und vor allem kackte, dann war das auch immer eine Ansage, denn dann machte sie sich bald schon wieder auf den Weg zum Futterplatz:



stretching after resting and before eating and so on

Und da kam die Ringdrossel auch schon wieder auf mich zugelaufen:



this is how a hungry Ring Ouzel looks like

Ohne sich aufs Maul zu legen.  

Trotz der zahlreichen Hürden, liegt da doch zurzeit das ganze Heckengeschnetzelte auf dem Boden herum (vergleiche vorletzten Bericht oder so).

Und nach dem Essen ging es rasch zurück ins Gebüsch:



having a break

Auf diesen Bildern sieht man das bereits ganz oben von mir angedeutete und nie zuvor beschriebene Merkmal besonders gut:


there is a feature visible that has never ever been described in any field guide

Die Schilfradspinne ist auf dem Rysumer Nacken ein "Massenartikel":


female Furrow Spider

Ein anderes Weibchen war gerade am Frühstücken:


second female with breakfast

Was es an diesem Morgen gab, konnte ich aber nicht mehr erkennen, vielleicht etwas Schnakiges

Und dann ging die Sonne auf:


sunrise

Das ist immer der Moment, in dem ich mich ein wenig ärgere. 

Scheiße, schon wieder vorbei, denke ich dann immer. 

Natürlich ist es wichtig, dass die Sonne sich irgendwann mal blicken lässt, denn ohne Sonne kein Leben auf dieser Erde, das weiß schließlich jedes Kind, aber wenn es morgens doch so furchtbar schön ist mit niedrigen Temperaturen, Windstille, Bodennebel und mächtig viel Tau auf allem, was sich da in Bodennähe aufhält,  dann möchte man diesen wunderbaren Augenblick am liebsten festhalten für die nächsten 24 Stunden. 

Mindestens. 

Doch auch nach Sonnenaufgang kann man mit etwas Glück noch Interessantes entdecken:


female Hairy Dragonfly

Ich war gerade aus meinem Ringdrossel-Versteck herausgeklettert, um mich ausgiebig zu strecken, als da plötzlich eine große Libelle an mir vorbeiknatterte.

Sie sah wie eine Mosaikjungfer aus, und es war Anfang Mai! 

Es war der 3. Mai, um genau zu sein, und es war acht Uhr. Ich hatte Glück, denn das Biest landete auf dem Acker an einem Erdklumpen, um sich zu sonnen. Kinners, es war an diesem Morgen wirklich ganz schön frisch, das Auftauchen dieser Libelle zu dieser frühen Stunde des Tages war also eine große Überraschung. 

Natürlich hat es sich um einen Frühen Schilfjäger gehandelt, erst um den dritten oder vierten meines Lebens! Und um den ersten, den ich auch fotografieren konnte. 

Und áuf der Stelle erinnerte ich mich an eine Begegnung mit dieser seltenen, mindestens aber sehr heimlichen Libelle im Ihlower Forst vor vielen Jahren. Ich saß damals nämlich auf einem Hochsitz und entdeckte unter mir ein hübsches Männchen, das geschickt durch den Schilfwald manövrierte und auf engstem Raum immer eine Lösung fand, seinen Weg auf der Suche nach einem Weibchen fortzusetzen. Vom Boden aus hätte man das Tier nicht entdecken können, doch aus meiner Vogelperspektive bot sich mir ein faszinierender Einblick in das Leben dieser interessanten Art, das sich also grundsätzlich im Verborgenen zwischen den eng beieinander stehenden Schilfstängeln abspielt. 

Einen Gartenteich besucht der Frühe Schilfjäger jedenfalls grundsätzlich nicht.

Leider hatte ich meine Kamera damals nicht zur Hand, denn ich glaube, es wären saucoole Aufnahmen geworden, so senkrecht von oben und so weiter. 

Das Individuum vom Rysumer Nacken war übrigens ein junges Weibchen, das habt ihr sicher schon am Bild erkannt. Wahrscheinlich hat es sich noch auf seinem Reifeflug befunden, um erst einmal ausgiebig andere Insekten zu jagen und aufzuessen, vielleicht auch einem unachtsamen Emder Bürger oder einem Touristen beide Augen auszustechen und auf diese Weise erwachsen zu werden und so schließlich das Wahlrecht zu erlangen.

Anderes Thema: Der jüdische Archäologe Alfred Schiff hatte anlässlich der Olympischen Sommerspiele in Berlin im Jahr 1936 die wunderbare Idee, das olympische Feuer per Staffel- und Fackellauf von Griechenland nach Deutschland zu befördern.  

Wikipedia schreibt dazu: "Nachdem die Flamme, das olympische Feuer, im antiken Olympia durch einen Brennspiegel entzündet worden war, wurde sie über 3187 Kilometer von 3331 Läufern, die zusammen die Stafette bildeten, in zwölf Tagen und elf Nächten von Griechenland nach Berlin getragen."

Die Nazis behaupteten später, der Staffellauf sei ihre eigene Erfindung gewesen, doch die Nazis haben es mit der Wahrheit ja nie so genau genommen. Und bis heute hat sich daran auch nichts geändert. Der Fackelstaffellauf blieb uns erhalten und ist längst zu einer Tradition geworden. Entsprechend wird die Ankunft des Feuers bei einer Olympiade auch heute noch zelebriert.

Was aber keiner weiß, ist, dass vor jeder Fußball-Welt- und Europameisterschaft ein ähnliches symbolträchtiges Prozedere stattfindet. Darüber ist deshalb nichts bekannt, weil es sich immer im Verborgenen abspielt. Doch heute werde ich Licht ins Dunkel bringen, damit ihr nicht eines Tages dumm sterben müsst, ihr kleinen Nichtsnutze da draußen. 

Ich habe nämlich alles mit eigenen Augen gesehen. 

Und es geht, wie ich bereits oben erwähnt hatte, um den Ball, um den Ball des Eröffnungspiels, das in diesem Jahr in München stattfinden wird. Jedes Kind weiß, der Fußball stammt ursprünglich aus England. Und nur weil das so ist, gibt es zum Beispiel das wohl zweitbekannteste Fußball-Lied der Welt, Three Lions, geschrieben von den The Lightning Seeds anlässlich der Fußball-Europameisterschaft im Jahr 1996 in England. "Football's coming home ..." ist die wohl bekannteste Zeile aus diesem Stück, und mindestens jeder zweite Mensch auf dem Planeten könnte sie mitsingen. 

Ich auch. 

Das olympische Feuer wird aus Griechenland zu jeder Olympiade gebracht, der Fußball aus dem Heimatland in die ganze Welt, eben dorthin, wo gerade wieder ein großes Turnier ansteht. Doch wie genau der Ball von England nach München gelangt, wie er transportiert wird und von wem, das wusste bis vor ein paar Tagen keine Sau.

Am 6. Juni, also vor nur 96 Stunden, befand ich mich nach langer Zeit mal wieder im Knyphauser Wald (Kreis Wittmund). Ich hoffte auf einen weiteren Wolf, wie er mir erst Mitte Mai bei Pilsum vor die Linse gelaufen war (siehe dazu den letzten Bericht!), doch diesmal sollte es noch viel besser kommen. Ich stand neben einem Graben, als ich plötzlich ein leises, aber durchaus weit tragendes Ächzen und Stöhnen hörte. Ich musste schon ganz genau hinsehen, sogar in die Hocke gehen, bis ich den Urheber der Geräusche entdecken konnte. Er lief herum auf den untersten Stämmen eines Holzstapels, den die Waldarbeiter über dem Graben aufgehäuft hatten.

So sah er aus:

this female Raft Spider I photographed few days ago at so called Knyphauser Wald in Ostfriesland. It had only one job in life to do, just to bring the ball from England (true motherland of football) to the opening game of the UEFA European Championchip in Munich on June 14th like the olympic fire has to be brought from Greece to any Olympic games in the world

"Was machst du denn da?" fragte ich neugierig, denn wer nicht neugierig fragt, der bleibt frei nach dem Titelsong einer sehr bekannten Kindersendung bekanntlich dumm. "Hast du etwa nicht alle Tassen im Schrank?"

"Ich komme aus England, habe den Ärmelkanal jesusmäßig überlaufen, Belgien und die Niederlande durchquert, und jetzt weiß ich nicht mehr, wo ich bin." 

Die Gerandete Jagdspinne, um die handelte es sich hier nämlich, wirkte sehr erschöpft. Mit zwei Armen gleichzeitig wischte sie sich permanent den aus unzähligen Poren hervortretenden Schweiß von der Stirn. Dann setzte sie müde und piepsig fort: "Ich muss nach München, äh – das da", sie zeigte mit gleich drei Armen auf den Ball unter ihrem Körper, "ist die Pille für das Eröffnungsspiel Deutschland-Schottland."

Ich war erstaunt. Und das sagte ich auch: "Ich bin erstaunt! Aber ist da nicht die Luft raus aus der Kugel? Ich meine, wer soll denn damit noch spielen?"

"Wer Europameister werden will", gab die Spinne jetzt etwas altklug und gleichzeitig pikiert wider, "der muss auch mit so einem schlappen Spielgerät klarkommen. Ich meine, mit einem strammen Ball kann doch jeder, ich meine, es scheint doch auch nicht immer die Sonne und so weiter!"

Ich nickte, auch weil die Spinne so ähnlich sprach, wie ich es immer zu tun pflege. 

Aber natürlich hatte sie auch inhaltlich recht! 

"Und wer bist jetzt du?

Plötzlich war da eine zweite Jagdspinne aufgetaucht, die ebenfalls mühselig einen Fußball durch die Gegend schleppte: 



second specimen (the substitute), carrying another football to Munich

"Ich bin die Ersatzfrau!"  kam es sehr selbstbewusst aus dem Tier hervorgeschossen.

Es kletterte die Böschung hinauf und kam direkt auf mich zugekrabbelt: "Die hohle Nuss dahinten", sie zeigte jetzt mit vier Armen verächtlich auf die Konkurrenz, "kriegt das Ganze doch nie auf die Kette. Ich bin zwei Tage später in England gestartet und sogar viel weiter im Norden und habe sie jetzt schon eingeholt. Die EM ist ein wichtiges Projekt, wie kann man da nur so schlecht vorbereitet sein? Ich meine, guck sie dir doch nur mal an, diese Heulsuse."

Tatsächlich wurde Spinne eins jetzt von einem heftigen Weinkrampf durchgeschüttelt.  

"Siehste, Frank, voll am Flennen!"

Macht das unter euch aus, dachte ich diplomatisch. 

Und ich wünschte beiden eine gute Reise. Schließlich hatten sie noch einige hundert Kilometer vor sich. Und in Deutschland ist es gefährlich. In den Wäldern leben wieder Wölfe und Luchse und Spitzmäuse und Erdkröten

Da muss man höllisch aufpassen, wenn man noch ein paar Tage leben will. 

Und eines ist klar: Das Eröffnungsspiel werde ich mir jetzt mit ganz anderen Augen ansehen.

Seht:


on June 7th I found this Bee Orchid at Rysumer Nacken (city of Emden). It constitutes the very first record ever for Ostfriesland not only for this pretty species, but also for the whole genus Ophrys! In total I spotted the remains of two specimens close to each other in a sandy area covered almost exclusively by Marram Grass and Wood Small-reed. The closest population within Germany is at least 144 kilometer away (Osnabrück region), but there is a population right on the other side of the Ems estuary in the Netherlands (Eemshaven)

Am 7. Juni 2024 schlenderte ich mal wieder über den Rysumer Nacken. 

Hätte ich das nur eine oder zwei Wochen später getan, wäre mir sehr wahrscheinlich eine megageile Entdeckung durch die Lappen gegangen, dass das mal klar ist. Auf einer sandigen Fläche neben dem Gassco-Zaun stolperte ich nämlich über die beinahe verblühten Überreste einer Ragwurz, die ich wegen ihrer Unvollständigkeit nicht auf Anhieb bestimmen konnte. Nur zwei Arten kamen wegen des Erscheinungsbildes der Pflanze infrage, das wusste ich immerhin, denn die dritte, die Fliegenragwurz, besitzt grüne Kronblätter. 

Weil mir aber bekannt war, dass nur die Bienenragwurz in Westniedersachsen vorkommt, ging ich schnell von dieser Art aus. Und in einem Forum bestätigte man meine Bestimmung auch sofort. Die sehr ähnliche Hummelragwurz ist eher eine Pflanze des Südens der Republik, vor allem des Südwestens, sie soll kurioserweise aber auch bei Göttingen vorkommen. 

Respekt an mich selbst, so dachte ich sofort, das ist jetzt aber wieder mal eine richtig fette Überraschung. Und kaum hatte ich diesen Gedanken zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht, da entdeckte ich gleich ein zweites Indivduum, nur dreieinhalb Meter vom ersten entfernt.

Ich freute mich, aber ich ärgerte mich auch ein bisschen, denn was für schöne Bilder hätte ich erst von diesen attraktiven Blümchen schießen können, wenn ich nur zwei Wochen früher fündig geworden wäre. Doch da hatte ich den Steinkauz im Osnabrücker Land vor der Linse, was natürlich auch großes Kino für mich war.

Ich gehe davon aus, dass es sich in diesem Fall um den allerersten Nachweis einer Ragwurz für Ostfriesland überhaupt handelt. Jedenfalls kann ich nichts Vergleichbares oder Verlässliches finden im Netz. Das naheste Vorkommen, von Ostfriesland aus gesehen, befindet sich bei Osnabrück und ist 144 Kilometer (Luftlinie!) entfernt. Und zwar im westfälischen Teil des Teutoburger Waldes bei Lengerich. Dieses Vorkommen ist schon seit vielen Jahrzehnten bekannt. Es war sogar schon bekannt gewesen, bevor ich überhaupt das Licht dieser Welt erblickte. Und ich selbst hatte es schon vor über 40 Jahren besucht und vor Ort neben der Bienenragwurz gleich eine Vielzahl verschiedener weiterer Orchideen bewundern können, wie sie für den Raum Osnabrück, aber auch das an diesen angrenzende Westfalen einzigartig war und auch heute noch ist!

Auf Helgoland soll es laut Naturgucker.de aber auch eine Population der Bienenragwurz geben. Doch im Falle dieser Insel weiß man nie so genau, ob da nicht jemand nachgeholfen hat. Schließlich gibt es dort auch Grasfrösche (selbst in großer Zahl gesehen) und möglicherweise auch Waldeidechsen (habe ich mal von jemandem gehört), die sicher nicht aus eigener Kraft zum Fuselfelsen geschwommen sind. Trotzdem kann sich die Bienenragwurz dort natürlich auch aus eigener Kraft angesiedelt haben, produzieren unsere heimischen Orchideen doch ausnahmslos sehr leichte und winzige Samen, die vom Wind über sehr große Strecken verbreitet werden können. 

Fast wie feiner Staub aus der Sahara, über dessen Auftreten bei uns sich ja auch niemand mehr wundert. 

Und tatsächlich soll sich die Bienenragwurz in den letzten Jahren weiter Richtung Norden ausgebreitet haben, auch im Osnabrücker Land. Wie im Falle so vieler Tier- und Pflanzenarten ist auch diese Entwicklung möglicherweise eine unmittelbare Folge des Klimawandels. Denn es ist bekannt, als Bienenragwurz mag man es eher kuschelig warm als nordisch kühl. 

Die wahrscheinlichste Variante ist aber eine Herkunft aus den Niederlanden, denn genau auf der anderen Seite der Ems, in Eemshaven, kommt die Art auch vor! Selbst auf Griend, das ist so ein kleiner und unbewohnter Sandhaufen im westfriesischen Wattenmeer, gelegen zwischen Vlieland und der Harlinger Küste, hat man sie in diesem Jahr gefunden. In unserem kleinen Nachbarland ist die Bienenragwurz überhaupt sehr weit verbreitet und vor allem auf den Inseln, entlang der Küste und in der Südwesthälfte des Königreichs fast flächendeckend vorhanden. 

Siehe hier: klick!

Bienenragwurz auf dem Rysumer Nacken, kaum entdeckt und schon bedroht!

Denn dem Rysumer Nacken soll es jetzt wirklich an den Kragen gehen. Wenigstens einem Teil des Gebietes, wie ich gehört habe von einem Menschen, der es wissen sollte.

Was hatte man mit diesem aus Sicht der Stadtvorderen so nutzlosen Gebiet schon alles vor? 

Einen neuen Hafen wollte man bauen, obwohl im eigentlichen Emder Hafen ohnehin schon kaum was los ist. Industrie im ganz großen Stil wollte man ansiedeln neben dem Gassco-Betrieb, doch auch das ist (glücklicherweise!) immer wieder gescheitert, übrigens aus Gründen, die mir nicht bekannt sind. Und man wollte und will immer noch einen völlig sinnfreien Solarpark aus dem Boden stampfen und die aus ökologischer Sicht so wertvollen nährstoffarmen Flächen einfach zu- oder abdecken mit blöden Photovoltaikmodulen, als schäme man sich geradezu für sie. 

Jetzt soll also ein neuer Deich gebaut werden, mindestens aber ein bereits vorhandener erhöht. Zurzeit laufen die Kartierungen, die natürlich so sinnlos sind wie die meisten Kartierungen in diesem Land, weil sie das Projekt kaum verhindern werden, hat man doch den mutmaßlichen Verlauf des Deichs bereits mit Pflöcken gekennzeichnet. 

Die allermeisten Kartierungen sind im Grunde nur aus der Sicht des Kartieres sinnvoll, weil sie für einen regen Geldfluss sorgen. Der Natur bringen sie in der Regel nichts ein. Ich meine, seit ich hier lebe, ist nahezu jeder Quadratmeter der Krummhörn und des Restes Ostfrieslands mindestens einmal kartiert worden, oft sogar etliche Male, doch geändert hat sich nichts. Genau das Gegenteil ist leider der Fall, denn es wird überall fleißig weitergebaut und die Flächen zwischen den ewig wachsenden Siedlungen und Industriegebieten noch intensiver bewirtschaftet. 

Merksatz: In Deutschland möchte man keine Natur sein!

Dass wir einander aber nicht missverstehen, ich habe nichts gegen Kartierungen an sich. Jeder soll so viel kartieren, wie er möchte, und meinetwegen auch ganz viel Geld damit verdienen. Mich stört nur der eine Satz, der im Zusammenhang mit solchen Erfassungen immer wieder aufgesagt wird: "Kartierungen sind wichtig für die Natur."

Kinners, das ist glatt gelogen. Wenn das so wäre, dann müsste Ostfriesland angesichts seiner Zähl-, Erfassungs-, und Kartierungsintensität das Naturparadies auf Erden sein. Geiler als die Mongolei und Island zusammen. Das ist aber bekanntlich nicht der Fall. 

Ganz weit davon entfernt.

Man wird also wieder mal eine Scheibe vorwegschneiden vom Nacken, obwohl doch der Dümmste begreifen sollte, dass auch der fetteste Brotlaib irgendwann mal vom nimmersatten Menschen aufgefressen sein wird. Eine Scheibe kostbaren Landes, wie man es hier in Kontinentalostfriesland ansonsten vergeblich suchte. Der Mensch nimmt sich immer einfach, was er braucht, daran hindert ihn auch nicht die Tatsache, dass wenigstens Teile des Rysumer Nackens erst vor einigen Jahren als Naturschutzgebiet ausgewiesen worden sind. Doch wo genau dieses Naturschutzgebiet beginnt, wo es aufhört, ist auch nicht wirklich klar. Und eigentlich ist der Verlauf seiner Grenzen auch völlig belanglos, stellen die Flächen des Rysumer Nackens doch in ihrer Gesamtheit etwas ganz Besonderes dar!

Die Bienenragwurz steht bei uns, wie alle heimischen Orchideen, unter strengem Schutz. Man darf sie also nicht einfach für die Vase auf dem Esszimmertisch pflücken oder ausgraben und in den eigenen Garten verfrachten (was eh nichts bringen würde, weil sie dort jämmerlich eingehen würde), es ist aber absolut okay, wenn man ihr den Lebensraum nimmt. Vergleichbares habe ich in meinem Leben schon so oft gesehen, dass ich mich kaum mehr wundern kann.

Der Deich wird kommen, das scheint unausweichlich, und die BLÖD-Überschrift, wonach eine seltene Orchidee ihn eventuell zu verhindern wüsste, bleibt leider nur mein Wunschdenken, und das stimmt mich gleichzeitig wütend und traurig, obwohl ich keine zwanzig mehr bin und mich doch im Laufe meines langen Lebens längst daran gewöhnt haben sollte, dass der Mensch der Natur gegenüber grundsätzlich keine Gnade kennt.

Wachstum und Weiterentwicklung heißen die Zauberworte, Stillstand wäre schon ein Rückschritt. 

Kurz: Der Weg, den die Menschheit beschreitet, ist eine Sackgasse, und anders als es das nächste Bild vielleicht illustriert, ist alles, was auf uns und vor allem die Natur zukommt, bereits absehbar:



no sight like there is no future for species diversity in my country

Man muss keine Löcher in den Händen haben, um das zu erkennen. 

Trotzdem sollte man den Kopf niemals in den Sand stecken, wie ich finde:




looking for food

Sondern einfach kritisch bleiben und immer wieder rumnerven. 

Und so leite ich jetzt geschickt zum letzten Thema dieses Beitrages über, und zwar zu den Bestímmungsbüchern unseres Kontinents:


same

Sie müssen neu geschrieben werden.

Alle!

Deswegen:




note the pattern of Greater Coverts and (slightly) the Tertials, which has never been described in any fieldguide yet :-)

Blind?

Dann seht hier:



aaaah, now you can see it

Sowohl die Großen Armdecken als auch die Schirmfedern einer weiblichen Ringdrossel sind gebändert wie die einer Eule!

Die Schirmfedern allerdings nur sehr unauffällig.

Das steht in keinem Bestimmungsbuch! Und das geht so nicht, wie ich finde. Ich meine, ich war richtig empört, als ich das sah. 

Echt jetzt mal. 

Tatsächlich ist das hier jetzt nur ein Scherz meinerseits, denn wenn man einer Ringdrossel so nahe kommt, dass man diese Zeichnung mit bloßem Auge erkennen kann, dann hält man sie schon in der Hand, dann hat man natürlich schon lange vorher alle anderen Kennzeichen, die sie von einer Amsel trennen, sicher erkannt. 

Und natürlich bleiben die schwedischen Vogelmaler, allen voran Lars Jonsson, echte Helden für mich!

"Was meinst du dazu?":




female Ring Ouzel

"Halt dein Maul!"

Is' ja schon gut.

Adulte Männchen zeigen dieses Merkmal übrigens nicht.

Noch zwei Fotos: 






same

Zu guter Letzt zeige ich euch ganz eindrucksvoll, wie das Licht die Färbung eines Vogels verändern, also wie es die Färbung eines Vogels anders aussehen lassen kann, wenn ihr versteht, was ich meine:


this photograph I shot with almost sun in my back. Note the different and rather brownish impression compared to all the other images, that were taken under a clouded sky

Auf diesem Foto wirkt das Weibchen eher braun und nicht grauschwarz wie auf allen anderen Bildern, die ich bei völlig bedecktem Himmel angefertigt hatte. 

Also noch einmal: Das Licht hat einen sehr großen Einfluss auf die Färbung eines Vogels. Nein, es hat eher einen sehr großen Einfluss darauf, wie wir die Färbung eines Vogels wahrnehmen.

Ganz zum Schluss gibt es ein Bild von meinem Tarnzelt, wie man es von der Straße aus sehen kann:


my Ring Ouzel hide (center bottom)

Aber nur mit einem Teleobjektiv in der Hand.

Oder einem Fernglas. 

Und so weiter.

Abschließend nenne ich euch noch schnell den bekanntesten Fußballsong der Weltgeschichter: You'll never walk alone.

Das Stück war schon für das 1945 uraufgeführte Broadway-Musical Carousel von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein komponiert und getextet worden, hatte also am Anfang mit Fußball rein gar nichts zu tun gehabt, doch wirklich berühmt wurde es erst durch zahlreiche Coverversionen, von denen es gleich vier auf die Pole der britischen Charts schafften und der Song von dort aus schließlich auch ins Stadion des FC Liverpool

Vor jeder Partie der Reds wird es von den Fans stimmungsvoll intoniert, sodass jeder Mensch im Stadion oder auch vor der Glotze eine heftige Entenpelle bekommt, sofern er kein Emotionskrüppel ist. 

Ende.