Donnerstag, 1. August 2019

Die nächste Generation

Kinners, ich habe meinen geilen Blog ein wenig vernachlässigt.

Gut zwei Wochen, wenn man Erbsen zählen möchte.

Doch heute gibt es endlich wieder etwas zum Lesen und Betrachten für euch, weil sich auf meinem Rechner ein paar Bilder angesammelt haben.

Ich meine, ich möchte doch auch verhindern, dass ihr der Langeweile zum Opfer fallt.

Los geht es, das war nicht anders zu erwarten, wieder einmal mit dem süßen Distelfalter.

Und so wie auf dem folgenden Bild, miteinem grapefruitigen Touch in der Farbe, mag ich ihn am liebsten:

last Friday (July 26th) I saw the first five Painted Ladys of the new genaration. Next day there were already 40 at the same location. In the meantime this species has become abundant one more time. These guys are the offspring of those specimens, who invaded whole Europe last June. From the egg to the butterfly it took only six or seven weeks!

Am letzten Freitag (26 Juli) sah ich die ersten fünf frischen Distelfalter der neuen Generation auf dem Rysumer Nacken. Einen Tag später waren es dort bereits über vierzig Indivduen. Inzwischen habe ich zu zählen aufgehört.

Der Lebensraum:

open habitat of Painted Lady

Merkt euch den im Bild gezeigten Weg!

Er wird weiter unten noch in einer anderen Hinsicht eine Rolle spielen.

Distelfalter an Sanddorn:

tons of PL can be seen now at so called Rysumer Nacken and almost everywhere

Gerade mal sechs bis sieben Wochen benötigt dieser Falter für die Entwicklung vom Ei bis zum fertigen Insekt. 

Das ist für einen Kosmopoliten nicht ungewöhnlich, eher sogar eine Bedingung und neben der allgemeinen Anspruchslosigkeit bezüglich des Lebensraumes so etwas wie der Schlüssel zum Erfolg. Auch andere Insekten, die beachtliche Wanderungen vollziehen und sich jahrweise weit nördlich ihres eigentlichen Verbreitungsgebietes vermehren, benötigen für ihre Entwicklung nur wenige Wochen, wie zum Beispiel die in der Vergangenheit hier häufiger vorgestellte der Frühe Hedeilibelle.

Weil es am 25. Juli sehr windig war, sonnten sich die meisten Falter auf dem Boden:

different specimens are shown

Folter mit Fliegen:

Das hat jeder schon einmal gesehen: Auf dem Fell einer Kuh wimmelt es eigentlich immer von Fliegen!

Vor allem im Bereich der Schultern sieht man stets große Ansammlungen. Indem die Kuh den Kopf ruckartig nach hinten wirft und oft sogar noch ihre Zunge rausstreckt, versucht sie die lästigen Biester zu verscheuchen und hinterlässt dabei nicht selten Speichel im Fell. Der wiederum zieht noch mehr Fliegen an: Es ist ein verfickter Teufelskreis!

Eine Ausschnittvergrößerung eines anderen Bildes:







Möglicherweise handelt es sich bei der Fliege um Haematobia irritans.

Ebenfalls auf dem Rysumer Nacken lief mir dieses hübsche Kerlchen über den Weg:

Golden Ground Beetle

Wahrscheinlich kommt der Goldlaufkäfer überall vor, doch kurioserweise sehe ich ihn in jedem Jahr immer nur an diesem Ort.

Es folgen drei Bilder aus der Rubrik Serengeti darf nicht sterben:

mama sheep with newly born twins

same

Ja, Kinners, auch Ende Juli können Schafe mitunter Nachwuchs bekommen.

Und dann geschah das Unglaubliche: Das Mutterschaf hielt mich für einen Feind und rief seine ganzen Schwestern herbei

curious sheep

Und die trachteten mir jetzt nach meinem Leben!

Seht ihr den mörderischen und eiskalten Blick?

Viel hätte nicht gefehlt und dieses Schaf wäre zu mir ins Auto gesprungen, um mich zu töten. Doch glücklicherweise gelang es mir gerade noch rechtzeitig, die Scheiben hochzukurbeln. Ja, ich muss noch kurbeln. Jedenfalls war es schlimm. Noch heute habe ich heftige Albträume durchzustehen. Und immer wenn das Schaf zu blöken anfängt, wache ich auf.

Mein erster Kartoffelkäfer seit unglaublich langer Zeit:


my first Colorado Potato Beetle since a very long time

In meiner Kindheit war die Art ungemein häufig an den Kartoffelpflanzen im Garten der Nachbarn. Der "erfolgreiche" Einsatz von Insektiziden hat dann zu einem starken Rückgang des Kartoffelkäfers geführt. Ich gehe aber davon aus, dass er nach wie vor regional undin manchen Jahren in größerer Zahl auftritt.

Und jetzt befinden wir uns wieder auf dem Weg, auf dem ich so viele Distelfalter beobachten konnte, nur etwa zweihundert Meter weiter westlich:







































who did this?

Überall gab es dort kleine Sandhäufchen mit einem Loch in der Mitte zu sehen.

Es sind die Nester einer Hosenbienen-Art:

the image shows the colony of a wild bee species: Dasypoda hirtipes

Und zwar von Dasypoda hirtipes, die keinen deutschen Namen besitzt und so aussieht:

female Dasypoda hirtipes

Es handelt sich hier wohl um die einzige Art der Gattung, die auch in Nordwestdeutschland vorkommt. 





same

Besonders auffällig sind die goldfarbenen Haarbürsten an den Hinterbeinen der Tiere, mit deren Hilfe sie beachtliche Pollenmengen transportieren können. Immer wieder sah ich leuchtend gelb eingefärbte Weibchen zu ihren Nestern zurückkehren, die sich aber ausnahmslos rasch in ihre Brutröhre stürzten, sodass an Fotos nicht zu denken war. Die hier gezeigte Frau sonnte sich am frühen Morgen für ein paar Minuten neben dem Nesteingang, bis sie dann schließlich davonflog. Ein bisschen Glück gehört eben auch dazu.

Jetzt, Kinners, nehme ich euch mit zu den Hauener Pütten.

Das folgende Foto zeigt die Fläche an der Straße, aufgenommen am 3. Juli von der Beobachtungshütte aus, nachdem der Pegel bereits berdrohlich abgesunken war:


two images of so called Hauener Pütten, an important wetland area at the edge of Greetsiel: this first picture was taken on July 3rd, when water level had already dropped dramatically caused by long lasting heat in June. All these mudflats had been covered by water in early spring

Und schon am 27. Juli, also nur gut drei Wochen später, war gar kein Wasser mehr da:

same three weeks later – there is no water anymore!

Die wohl bedeutenste Fläche des Gebietes ist also den zweiten Sommer in Folge und noch deutlich früher als im vergangenen Jahr ausgetrocknet.

Verantwortlich dafür ist einerseits das heiße und trockene Wetter der letzten Wochen mit einem neuen deutschen Hitzerekord von sage und schreibe 42,6 Grad Celsius (gemessen im emsländischen Lingen), andererseits aber eben auch der letzte heiße Sommer, in dem diese Fläche erstmals überhaupt komplett trockengefallen war (das haben mir zumindest einige Anwohner berichtet). Im Herbst und Winter konnte der ursprüngliche Pegel wegen der eher durchschnittlichen Regenfälle nicht mehr erreicht werden. Deshalb gingen die Pütten ins neue Jahr wie ein angeschlagener Boxer in die nächste Runde. 

Klimawandel zum Anfassen!

Doch Angst brauchen wir nicht zu haben, denn die Lösung ist bereits gefunden. In der vorletzten Woche kam die Meldung immer wieder im Radio: Wir müssen einfach nur mehr Bäume pflanzen und auf E-Autos umsteigen. 

Dann wird alles wieder gut!

Viele Menschen glauben alles, was sie in den Nachrichten hören oder in einer Zeitung lesen. Doch wieso E-Autos überhaupt etwas bringen sollen, ist mir ein Rätsel. Der Schadstoffausstoß wird doch nur verlagert, vom Auto in Richtung Kraftwerk. Dass wir den Energiebedarf eines Landes mit 83 Millionen Einwohnern allein durch regenerative Energien decken könnten, ist meiner Meinung nach ein Märchen. 

Übrigens ist noch keine Tier- oder Pflanzenart durch den Klimawaandel ausgestorben. Das kommt erst noch! Betreffen wird es vor allem und zuerst alle arktischen und alpinen Spezies, die nicht weiter nach Norden oder in höhere Lagen ausweichen können. Man kann also schon jetzt davon ausgehen, dass es zum Beispiel Limikolen schwer haben werden in der Zukunft. Ein viel prominenteres Beispiel wäre der ohnehin nicht häufige Eisbär, der eines Tages nicht mehr übers Nordmeer wandern kann, etwa von Grönland nach Nowaja Semlja, weil das Nordmeer gar nicht mehr zufrieren wird. Schon jetzt müssen Eisbären im kanadischen Churchill ihre Sommerpause notgedrungen verlängern, auf leckere Robben verzichten und deshalb unfreiwillig über Gebühr abnehmen, weil die Hudson Bay im Frühjahr immer früher auftaut und im Herbst immer später vereist. Deshalb tauchen sie in ihrer Not immer häufiger im Ort auf, um dort nach Kalorien zu suchen. Die einen landen vorübergehend im Knast, andere werden abgeballert.

Schöne Aussichten sind das.

Doch das ist nur die Zukunft. In der Vergangenheit und vor allem seit Beginn der Neuzeit sind Tierarten aus ganz anderen Gründen ausgestorben. Wenige wegen direkter Verfolgung (z. B. Riesenalk oder Wandertaube), die meisten aber deshalb, weil wir Menschen immer mehr werden und so allen anderen Erdenbürgern den Lebensraum und schlicht die Luft zum Atmen nehmen. Wie Krebsgeschwüre wachsen Ortschaften immer weiter in die Landschaft hinein, weil gebaut wird bis zum Erbrechen. Auch hier in Ostfriesland rücken die Dörfer immer enger zusammen. Allein in den zehn Jahren, die ich jetzt hier wohne, hat die bebaute Fläche dramatisch zugenommen. Der Rest des Landes geht drauf für intensiv bewirtschaftete Anbauflächen, für uns und unsere Fleischlieferanten. Wir können auch nicht mehr in großem Maße auf extensive Bewirtschaftung umstellen, weil der Nahrungsmittelbedarf zu groß und die vorhandenen Flächen in unserer Republik zu klein sind. 

Auch das ist ein verfickter Teufelskreis! 

Quintessenz: Wir müssen zahlenmäßig weniger werden. Und das möglichst schnell. Doch es ist ein Tabuthema, über das man nicht sprechen oder schreiben darf. Ich werde wahrscheinlich niemals erleben, dass dieses Thema in der Tagesschau unumwunden beim Namen genannt wird. Stattdessen wird auch künftig immer nur an den Symptomen herumgedoktert werden. Wenn einem Artenvielfalt am Arsch vorbei geht, dann kann man so unbeschwert leben. Doch am Ende wird es uns selbst treffen, ist der Ast, auf dem wir selbst sitzen und an dem wir selbst sägen, doch bereits halb durch.

Diese beiden Flussseeschwalben, Vater und Sohn oder Mutter und Tochter oder Vater und Tochter oder Mutter und Sohn – man weiß es nicht –, haben keinen blassen Schimmer von dem, was auf ihre Nachkommen zukommen wird:






Common Tern (adult and juvenile)

Und vielleicht ist es auch besser, wenn man einfach alles ausblendet.

Fotografiert habe ich die beiden Süßen in den Hauener Pütten, irgendwann im Juli.


Zurück zum Distelfalter:

Painted Lady

Es folgen drei Aufnahmen vom selben Falter:

Dem Distelfalter macht der Klimawandel wahrscheinlich gar nichts aus.

Ihm spielt er eher in die Karten, mag es doch trocken und warm.

Ein letztes Bild von dieser Art:

Es folgt der erste und bislang auch einzige Postillon (Wandergelbling) der Saison, aufgenommen heute am Deich bei Campen:

the first Dark Clouded Yellow of the year showed up at Campen today

Auch er ist ein Wanderfalter aus dem Süden, der nicht dauerhaft in Ostfriesland vorkommt, sondern jahrweise in stark schwankender Zahl zu uns einwandert. Ich bin mal gespannt, ob es bei diesem einen Individuum bleiben wird. Fakt ist, dass ein starker Distelfalter-Einflug nicht zwingend bedeutet, dass auch andere Wanderfalter in größerer Zahl bei uns auftauchen. 

Das gilt natürlich auch umgekehrt.

So, Kinners, zum Abschluss gibt es noch ein echtes Schmankerl:


either Pontia edusa or P. daplidice – these two closely related species can't be separated from each other by photographs or even in the field, so that identification remains unsolved

Gestern Morgen (31. Juli 2019) sah ich auf dem Rysumer Nacken neben gefühlten vier Millionen Distelfaltern auch einen Resedafalter

Er flog vor mir aus der Bodenvegetation auf und landete einige Dutzend Meter weiter am Rande eines Rapsfeldes. Weil er so klein war, schlug mein kleines Herz sofort bis zum Hals, obwohl ich zunächst von der Flügelzeichnung nichts erkennen konnte. Neben dem Aurorafalter gibt es bei uns nämlich keinen weiteren Weißling, der so klein ist. Und die Flugzeit des Aurorafalters ist längst vorüber. Es musste also ein besonderer Schmetterling sein, das war mir schnell klar. Und weil das Tier sich später als eher flugfaul und wenig scheu herausstellte, konnte ich mich ihm bis auf wenige Meter nähern.

Das Bild da oben war das erste, das ich machen konnte. Kaum hatte ich es im Kasten, verlangsamte sich mein Puls endlich wieder.

Im Anschluss daran stellte das Knipsen dieses Schmetterlings keine große Herausforderung mehr dar:





same – a lifer!

Eingefärbt, wodurch sich beim Falter allerdings nichts ändert:

same

Es handelt sich hier entweder um Pontia edusa (Resedafalter) oder um Pontia daplidice (Westlicher Resedafalter). 

Keine der beiden Arten kommt im westlichen Niedersachsen vor, weshalb sie mir nie zuvor begegnet waren. Um welche der beiden es sich hier handelt, muss leider offen bleiben, kann man dieses Zwillingspaar doch leider nicht anhand von Fotos, ja nicht einmal im Freiland, voneinander trennen. Weil aber wohl nur P. edusa zur Langstreckenwanderung neigt, ist ein Auftreten dieser Art außerhalb ihres eigentlichen Verbreitungsgebietes sehr viel wahrscheinlicher.

Im Gegenlicht und im Raps:


same

Und wieder in Graustufen:

same 

same

Nochmal Farbe:

same

Ich gehe aber nicht davon aus, dass es sich hier um einen Erstnachweis für Ostfriesland handelt. 

Ich meine mich zu erinnern, dass der Emder Naturkundler Klaus Rettig diese Art hier schon mindestens einmal gesehen hat, zumal der liebe Kollege auch immer schon ein Auge und ein Herz für Tagfalter gehabt hat. 

Hier stand der seltene Gast, der sehr wahrscheinlich aus dem Osten kam (sofern es sich tatsächlich um P. edusa handeln sollte), auf dem Boden, zusammen mit...

...einem anderen Zuwanderer, der sehr wahrscheinlich aus dem Süden kam, der Frühen Heidelibelle!


with Red-veined Darter!

Ist das lustig?

Ja, das ist es wohl.