Sonntag, 1. September 2019

Süßer Kleiner Perlmutterfalter

Moin Kinners,

heute gibt es Bilder von einem kleinen Tagfalter, den ich jetzt, da ich hier sitze und schreibe, erst dreimal in meinem Leben gesehen habe.

Zwei dieser Beobachtungen stammen allerdings von vorgestern (Freitag) und gestern (Samstag). 

Die dritte, die eigentlich die erste war, war mir schon vor etwa einem Jahr geglückt: klick!

Damals, am 5. September 2018, konnte ich allerdings nur ein schlechtes Belegfoto vom scheuen und bereits sehr abgeflogenen Falter anfertigen, der ganz fix sein Heil in der Flucht suchte und nicht wieder auftauchte.

Hätte ich damals auch nur geahnt, dass das nicht meine einzige Chance bleiben würde, wäre mir der Beinaheherzinfarkt, den ich erlitt, erspart geblieben.

Es geht, der Titel hat es längst verraten, um den hübschen Kleinen Perlmutterfalter (im Folgenden KP genannt). Und das einzige Gebiet, in dem ich diese Art bislang nachweisen konnte, ist der Rysumer Nacken.

Ein erstes Foto:





the image shows my third Queen of Spain Fritillary, photographed yesterday at so called Rysumer Nacken. The second specimen of my life I found one day earlier at the same location. My first encounter with this species I had in september 2018 at Rysumer Nacken, too

Prächtig, oder?

Doch oh Gott, wie langweilig ist das denn, werdet ihr jetzt denken, wenn ihr in Sachsen oder Brandenburg wohnen solltet.

Ich weiß, es gibt nach wie vor Regionen in der Republik, in denen dieser Falter ein echter Massenartikel ist. Aber in Westniedersachsen ist das längst nicht mehr der Fall. Im Landkreis Osnabrück, wo ich aufwachsen musste, ist mir der KP jedenfalls nie begegnet. Und hier in Ostfriesland hat es eben nur für die schon erwähnten drei Beobachtungen gereicht.

Derselbe Falter im Gegenlicht:


same specimen

Der Rysumer Nacken ist eine echte Oase in der ausgeräumten Agrarsteppe der Krummhörn, auch wenn er natürlich zu Emden gehört. 

Er zeigt, welches Potenzial in der Landschaft steckt, wenn man auf Düngung und intensiven Ackerbau verzichtet. Es blüht dort eine ganze Reihe verschiedener Wildblumen, darunter mit Ackerstiefmütterchen und dem Wilden Stiefmütterchen auch zwei Arten, die den Raupen des KM als Nahrung dienen könnten, sofern es sich bei den drei von mir beobachteten Faltern nicht um aus anderen Regionen zugewanderte Individuen handeln sollte, wie ich zunächst vermutete.  

Nochmal derselbe Falter an den Blüten des Schmalblättrigen Greiskrautes (stammt aus Südafrika) saugend:

looks different, but is still the same specimen

Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass es sich um eine örtliche Population handelt, die wohl nur aus wenigen Individuen besteht und möglicherweise erst in den letzten Jahren, vielleicht sogar tatsächlich erst in 2018 dort entstanden ist.

Beide Falter sahen sehr frisch aus; eine allzu lange Strecke dürften sie in ihrem Leben jedenfalls noch nicht zurückgelegt haben.

same

Der Lebensraum auf dem Rysumer Nacken:


habitat of QoSF 

Hier sieht man neben Beständen des attraktiven Landreitgrases auch welche des Kanadischen Berufkrautes (stammt eigentlich aus Nordamerika):



same

Am Tag zuvor, also am Freitag, hatte ich das erste Individuum versehentlich vom Boden aufgescheucht und natürlich sofort erkannt, um wen genau es sich handelte.

Bitte, so flehte ich in Gedanken, nicht wegfliegen.

Bitte landen.

So-fort!

Mein gedanklicher Befehl wurde vom Schmetterling auf der Stelle ausgeführt, sodass ich die ersten Bilder machen konnte, zu diesem Zeitpunkt übrigens noch mit vor Aufregung zittrigen Händen:


another (the first specimen, that I found the day before yesterday)

Mit Sonne:

same

Immer wieder flog das Biest auf und jedem Rock hinterher, weshalb ich von einem Kerl ausgehe.

Er verfolgte zunächst eine Goldene Acht, dann einen Postillon und schließlich und besonders hartnäckig ein Kleines Wiesenvögelchen. Allein die Zusammenstellung dieser interessanten Arten ist schon hervorhebenswert und hier im westlichen Ostfriesland wohl nur auf dem Rysumer Nacken möglich.

Und weil mir das noch nicht reichte, gesellte sich zu allem Überfluss auch noch ein weiterer Stargast zur Gruppe hinzu. Ich hörte ein recht leises, aber durchdringendes Schlürfen in meinem Rücken, woraufhin ich mich umdrehte. Es war mein zweites Taubenschwänzchen des Jahres, das da an der Blüte einer Nachtkerze saugte und offenbar bereits fast alles ausgetrunken hatte.

So jedenfalls hörte es sich an:



















my second Hummingbird Hawk-Moth this year

Ein junger Neuntöter:





young Red-backed Shrike

Es ist das einzige Bild, das ich von einem der auf dem Rysumer Nacken erbrüteten Vögel machen konnte. Inzwischen haben beide Familien das Gebiet verlassen und befinden sich jetzt vielleicht schon in Bulgarien oder anderswo.

Eine Raubseeschwalbe hielt sich am letzten Montag im NSG Petkumer Deichvorland auf:

Caspian Tern with Swedish red colour ring, which I unfortunately could not read

Sie trug neben einem Vogelwartenring am linken Fuß am rechten einen roten Farbring.

Auf CR-Birding fand ich drei Projekte mit roten Ringen, die allesamt in Schweden unterhalten werden. Leider war die Distanz zum Vogel aber viel zu groß, als dass ich auch nur irgendetwas erkennen konnte.

Drei Tage später waren im NSG wieder Raubseeschwalben anwesend. Diesmal ein Jungvogel in Begleitung eines alten, der unberingt war und somit nicht mit dem vom Montag übereinstimmen konnte. Das Petkumer Deichvorland ist offenbar ein Gebiet, in dem die Raubseeschwalbe auf dem Wegzug gerne eine Pause einlegt. In den vergangenen Jahren sah ich eigentlich immer Raubseeschwalben, wenn ich dort im Zeitraum von Ende August bis Anfang September unterwegs war. Es ist aber trotzdem kein Gebiet, das ich gerne aufsuche, weil man dort ohne Spektiv kaum etwas ausrichten kann. Und ich hasse es einfach, länger als fünf Sekunden durch so ein Teil zu gucken.

Ein Bild von den beiden Vögeln vom Donnerstag:


two more birds three days later

Ja, Kinners, auch die Strandaster blüht längst wieder in den Salzwiesen jenseits der Deiche:

the pretty Sea Aster is blooming now

So hübsch das Meer aus zartrosa Blüten auch sein mag, den süßlichen Duft, den es verströmt, empfindet meine schiefe Nase als unangenehm!

Man kann das mit dem Geruch vergleichen, den im Frühjahr der Weißdorn in die Landschaft abgibt.

Bereits am 19. August entdeckte ich diesen winzigen Falter, der es sich während meiner Abwesenheit auf meinem Cornflakes-Löffel gemütlich gemacht hatte:


this tiny Single-dotted Wave I found on or in my cornflakes spoon when returning home. A nice place to rest

Mir war nur klar, dass es sich um einen Spanner handelte.

Doch um welchen genau, musste ich erfragen. Mein Dank geht deshalb an Ingrid Altmann aus dem oberpfälzischen Kreis Cham, die das Tierchen nach nur wenigen Sekunden bestimmte. Es handelt sich um den Braungewinkelten Zwergspanner, der keine Seltenheit darstellt und nahezu überall auftreten kann.

Manchmal eben auch auf einem Löffel.

Nachdem ich den zweiten KP im Kasten hatte, ging ich weiter. Ich überlegte zuvor noch ein paar Sekunden, ob ich meine Kamera schussbereit in der Hand halten oder aber aus Komfortgründen in den Rucksack packen sollte. Diese Gedanken denke ich eigentlich pausenlos. Doch hält man dsa schwere Teil dauerhaft in der Hand, kann man nicht mehr so gut mit dem Fernglas schauen. Und außerdem schmerzt immer schon nach fünf Minuten mein Arm. Also verstaute ich die Kamera im Rucksack. Kaum hatte ich das erledigt, sah ich eine fette Hornissenschwebfliege (im Folgenden HSF) auf einer Distelblüte stehen. Es war die erste HSF für mich in diesem Gebiet und erst die zweite für das westliche Ostfriesland nach einem Tier im letzten Jahr, das mir in Greetsiel vor die Augen düste.

Ich fluchte etwas vor mich hin, weil ich alles falsch gemacht hatte. Mal wieder. Doch schon wenige Meter weiter glotzte mich wohl dieselbe Fliege aus großen braunen Augen an:


Hornet Mimic Hoverfly

Jetzt schoss ich mir einen Wolf:


same or different

Ich setzte meinen Spaziergang fort und fand nur wenige Meter weiter ein neues Individuum.

Doch weil ich es für möglich hielt, dass mich die erste Fliege in der Zwischenzeit überholt hatte, eilte ich zurück. Ich wollte einfach sicherstellen, nicht doppelt zu zählen. Und da stand das Biest immer noch auf seiner Blüte und nahm Nahrung zu sich.

Und schließlich sah ich sogar gleich zwei Individuen auf einer Blüte:

two together! Never seen that before!

Am Ende waren es sogar fünf verschiedene HSF auf einer Strecke von nur etwa 100 Metern!

So viele hatte ich zuvor nicht einmal insgesamt gesehen.

Oh, ein Landschaftsschutzgebiet!

protected fields, but why?

Die Landschaft um den Rysumer Nacken herum sieht so aus wie auf dem Bild da oben.

Die in diesem Bericht vorgestellten Arten wird man dort niemals finden. Es wird überall einfach alles abgetötet. Einerseits durch Überdüngung und Pestizide, andererseits durch das permanente mechanische Bearbeiten der weiten Flächen. Wenn man früher abgeerntete Felder erst im darauffolgenden Frühjahr gepflügt hat, dann erledigt man das seit einigen Jahren in den meisten Fällen bereits wenige Wochen nach der Ernte, ganz bestimmt aber noch vor Einbruch des Winters. Unter solchen Bedingungen kann sich kein natürliches Leben mehr entwickeln.

Interessanterweise nimmt aber die Zahl der so genannten Blühstreifen zu. Sie sind zwar gut gemeint, bestehen aber fast ausschließlich aus standortfremden Pflanzenarten, wie etwa der aus Nordamerika stammenden Phazelie, und bringen nur jenen Arten etwas, die auf Nektar oder Blütenstaub aus sind. Die ganzen anderen Insekten, die sich im Laufe von Jahrmillionen an einheimische Pflanzen angepasst haben und zum Beispiel Blätter essen oder Pflanzensäfte saugen, gehen leer aus. Gleichzeitig werden überall und x-mal im Jahr sämtliche Randstreifen gemulcht und gemäht und der heimischen Flora so der Garaus gemacht. Wir geben also viel Geld aus für etwas, das uns eigentlich gar nichts kosten würde. Und das, wofür wir viel Geld ausgeben, machen wir auch noch falsch.

Ja, Kinners, es ist eine kranke Welt, in der wir leben!

Und dann werden diese kaputten Flächen auch noch als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen:


Was hat die Natur davon?

Wem soll das helfen?

Gibt es so etwas auch außerhalb Deutschlands?

Liebe Sachsen und Brandenburger, seid euch sicher, dass der westdeutsche Sterilitätswahn eines Tages auch bei euch alles zerstören wird. Die vielen Tierarten, die bei euch überlebt haben, während sie bei uns längst ausgestorben sind, werden früher oder später auch bei auch das Zeitliche segnen. Das gilt für die Haubenlerche ebenso wie für den KP.

Es ist eben alles nur eine Frage der Zeit!

Dass es gar nicht erst nicht so weit kommen müsste und man selbst hier im Westen noch etwas bewirken könnte, sieht man an einem Gebiet wie dem Rysumer Nacken. Doch auch hier droht Schlimmstes, träumt die Stadt Emden doch schon seit Jahrzehnten davon, ausgerechnet an diesem exponierten Ort einen neuen und völlig sinnfreien Hafen entstehen zu lassen, wenigstens aber ein riesiges Industriegebiet.

Merksatz: Die Dummheit des Menschen ist unantastbar!

Er hier ahnt nicht einmal, was alles auf ihn und seine Kindeskinder zukommen könnte:

Seine Lebenszeit währt eh nur wenige Wochen, wenn nicht sogar nur Tage.

Da wird es kaum möglich sein, die entscheidenden Hebel in Bewegung zu setzen:

Und als Kleiner Perlmutterfalter hat man es sowieso nicht selbst in der Hand.