Freitag, 27. August 2021

Bienenwolf

Heute, das kann ich versprechen, wird es wieder so richtig spannend werden!

Moin Kinners,

es geht (vor allem) um den Bienenwolf.

Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich eine Brutkolonie dieser interessanten Grabwespe finden, freilich ohne sie überhaupt gesucht zu haben. 

Wo?

Natürlich wieder einmal auf dem Rysumer Nacken, der sich niemals ziert, wenn es darum geht, mich zu überraschen. Und weil eine Überraschung in einem Beitrag nicht ausreichen würde, gibt es heute gleich zwei weitere. Und von diesen beiden weiteren Überraschungen ist eine ein echter Megaknaller!

Doch dazu später mehr.

Der Bienenwolf sieht auf den ersten Blick wie eine normale Wespe aus:


European Beewolf

Auch hinsichtlich seiner Größe gleicht er den bekannten Nervensägen, doch am Kaffeetisch wird man vergeblich auf ihn warten.

Ich weiß nicht, ob diese Art selten ist oder nicht, und vielleicht blamiere ich mich jetzt sogar, wenn ich schreibe, dass ich sie zuvor nur ein einziges Mal beobachten konnte. Und auch diese Begegnung fand vor ein oder zwei Jahren auf dem Rysumer Nacken statt.

Der Lebensraum auf dem Rysumer Nacken, etwa eine Stunde nach Sonnenaufgang:







habitat of Beewolf on sandy soil with many burrows visible

Es handelt sich hier um eine nur schütter bewachsene sandige Fläche, die nur etwa 60 m² groß ist. Die Kolonie dort besteht aus etwa 100 Weibchen.

So ganz genau kann man das gar nicht sagen, weil nie alle Tiere gleichzeitig sichtbar oder anwesend sind. Weil es für mich die erste Kolonie war, habe ich mir einen Klappstuhl mitgebracht und an den letzten drei Wochenenden viele Stunden mit den Bienenwölfen verbracht. Und ich kann mit gutem Gewissen schreiben, dass nicht eine Sekunde Langeweile aufkam. 

Doch das lag nicht nur an den Bienenwölfen selbst. 

Morgens ging es, je nach Temperatur, meist gegen acht Uhr los. Die ersten Weibchen tauchten auf, nachdem sie die Nacht zuvor entweder im Bau oder aber irgendwo in der Vegetation verbracht hatten. 

Und dann wurde auch immer sofort fleißig geschippt: 




female at work

Eine Serie von weiteren drei Bildern:




Obwohl der Bienenwolf gerne in Kolonien brütet, macht jedes Weibchen sein eigenes Ding und buddelt einen eigenen Bau.

Am Ende dieses Baus, der einen Meter lang sein kann, werden bis zu 30 Brutkammern angelegt. Weil durch das Graben viel Sand nach oben transportiert wird, entstehen die auffälligen Häufchen, die man auf dem Lebensraum-Bild schon sehr gut erkennen kann.

So sehen sie aus der Nähe aus, allerdings nach einem heftigen Regenschauer ordentlich geplättet:




the colony at so called Rysumer Nacken consists of up to 100 females

Die Honigbiene sammelt fleißig Nektar, der Bienenwolf sammelt fleißig Honigbienen.

Daher rührt sein Name.

Wenn der Bau auf Vordermann gebracht worden ist, machen sich die Weibchen auf den Weg. Manche starten blitzschnell senkrecht durch, andere ziehen ihre Kreise, während sie nur langsam an Höhe gewinnen. Erst wenn sie die Baumkronen erreicht haben, geben sie richtig Gas. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich auf diese Weise den exakten Standort ihres Nests einprägten, doch das muss nicht stimmen. 

Weil ich stundenlang auf meinem geilen Klappstuhl saß, konnte ich mehrere Weibchen in unmittelbarer Nähe genauer beobachten. So weiß ich jetzt, dass sie in einem Zeitraum von sieben Stunden bis zu acht Honigbienen anschleppen können. Jede dieser Bienen wird natürlich einzeln zum Bau getragen.

Das sieht dann so aus:



with Honeybee

Das ist eine beachtliche Leistung, ist so eine Honigbiene kaum kleiner oder leichter als der Bienenwolf. 

Wenn der Eingang des Baues während der Abwesenheit der Bienenwölfin eingestürzt ist, wird schnell noch einmal freigeschaufelt, mit der Beute im Gepäck:


Und zack, verschwinden beide in der Unterwelt.  

Bienen, gemeint ist hier nur die Honigbiene, werden nicht am Stock erbeutet, sondern ausschließlich dort, wo sie nach Nahrung suchen, eben auf Blüten. 

Die Bienenwölfin erkennt die Honigbiene am Geruch, greift diese unvermittelt an und überwältigt sie nach kurzem Kampf durch einen Stich in die Vorderhüfte. Die Honigbiene stirbt nicht daran, sondern ist nur paralysiert. Anschließend wird sie zum Nest getragen und zwar immer so, dass ihre Unterseite nach oben zeigt.

Bauch an Bauch, wenn man so will.

Immer.

Ich weiß nicht, wie alt eine Bienenwölfin werden kann. 

Mir ist auch nicht bekannt, ob sie nacheinander mehrere Brutröhren aushebt und diese mit Honigbienen bestückt. 

Wenn man aber spaßeshalber davon ausgeht, dass in so einer Kolonie von Mitte Juni bis Anfang September dauerhaft 100 Weibchen leben, dieselben oder nacheinander schlüpfende verschiedene, und jedes dieser Weibchen an jedem Tag mindestens fünf Honigbienen erbeutet, dann wären das 500 Honigbienen am Tag, 15.000 im Monat und sage und  schreibe etwa 40.000 während eines Sommers!

Während ich auf meinem Klappstuhl saß, musste ich ein ums andere Mal schmunzeln. Unter mir, so dachte ich, befinden sich jetzt all die Zombie-Bienen, die in ihrem feuchten und finsteren Verlies nur darauf warten, von den Larven der Bienenwölfe aufgegessen zu werden.

Sie stellen nichts Anderes dar als Proviant für den Wespennachwuchs.

Schon sehr, sehr gruselig. Und hin und wieder ging mir die Sachligkeit flöten. Ich meine, die Bienenwölfinnen heben im Grunde bereits vor ihrer Jagd ein Grab für ihre spätere Beute aus, und diese Beute wird eben lebendig begraben.

Für uns Menschen wohl die Horrorvorstellung schlechthin!

Doch Natur ist eben Natur.

Eine weitere Serie, aufgenommen an einem bedeckten Tag:


with prey



Adios, Honigbiene:


Jetzt die Preisfrage: Ist der Bienenwolf eine Gefahr für den Fortbestand der Honigbiene?

Ihr könnt ja mal darüber nachdenken. 

Weiter oben schrieb ich bereits, dass ich mich keine Sekunde langweilte, während ich auf meinem Klappstuhl saß:


my seat while I was watching the Beewolfs

Es war einfach immer was los! 

Und der Bienenwolf war ja auch nicht die einzige Grabwespen-Art, der ich bei der Arbeit über die Schulter blicken durfte. So gibt es dort zum Beispeil auch eine kleine Kolonie der Kotwespe, die statt Honigbienen Fliegen als Proviant für den Nachwuchs erbeutet und in den Bau trägt, doch diese Kolonie befndet sich etwas abseits der Bienenwölfe in einem Bereich, der niemals besonnt wird, nicht einmal im Sommer.

Die Kotwespe mag es schattig, und sie brütet auch direkt vor meiner Wohnungstür zwischen den Pflastersteinen. Auch dort scheint nur am frühen Morgen die Sonne.

Eine andere, sehr auffällige Grabwespe ist die Gemeine Sandwespe:




Red-banded Sand Wasp with The Herald Moth caterpillar

Im Gegensatz zum Bienenwolf tritt diese Art in viel geringerer Dichte auf. 

Auf der Sandfläche auf dem Rysumer Nacken liefen in diesen Tagen nie mehr als zehn Weibchen gleichzeitig herum. 

Eines davon, beim Transport einer zentnerschweren Zackeneulen-Raupe, zeigt das Bild. 

Dasselbe Tier mit derselben Raupe:


same

Bei der Paarung, die im Vergleich mit dem Bienenwolf geradezu liebevoll über die Bühne ging (s. u.):


not Sphex, but sex ;-)

Und beim morgendlichen Sonnenbad:


Wie im Falle des Bienenwolfs werden die Beutetiere auch hier nur gelähmt und somit lebendig begraben. 

Und wie im Falle des Bienenwolfs dienen sie dem Nachwuchs der Sandwespe als Nahrung.  

Doch bevor die Sandwespe auf die Jagd geht, muss auch sie einen Bau buddeln. Im Gegensatz zum Bienenwolf trägt sie den Aushub aber fliegend weg, nur wenige Zentimeter, doch so wird das Entstehen eines weithin sichtbaren Sandhaufens vermieden. Und deshalb bleibt der Eingang des Baus der Sandwespe unsichtbar.

Hier wird gegraben:





Und wenn der Bau fertig ist, geht es auf Beutefang.

Dieses zweite Weibchen schleppte schließlich die noch schwerere Raupe eines Dromedar-Zahnspinners an:


with heavy Iron Prominent caterpillar 

Beide Raupen habe ich übrigens von Fachleuten bestimmen lassen, weil ich sie nicht kannte.

Hier wird noch einmal der Eingang freigemacht:


Und schließlich wird die Beute in die Tiefe gezogen:


Zurück zum Bienenwolf:


Vor ganz vielen Jahren – ich bin mir sicher, es war im letzten Jahrtausend – hat es mal einen Artikel über diese interessante Art in der Neuen Osnabrücker Zeitung gegeben. 

Mit Foto.

Damals hatte jemand mitten in der Stadt und direkt vor dem imposanten Dom eine Kolonie entdeckt. Wie die viel kleinere Kotwespe kann nämlich auch der Bienenwolf seine Brutröhren durchaus auch zwischen Pflastersteinen graben, wenn man ihn lässt. 

Seinerzeit wurde das Vorkommen den Lesern geradezu als eine Sensation verkauft. Und ich vermute deshalb, dass der Bienenwolf zumindest damals keine häufige Art gewesen sein kann. Vielleicht hat er sich im Laufe der Jahre, begünstigt durch den fortschreitenden Klimawandel, auch in Deutschland weiter ausbreiten können, wie das z. B. in England der Fall gewesen ist. 

Lange Zeit kam der Bienenwolf im Königreich nämlich nur auf der Isle of Wight und in Suffolk vor. Doch längst hat er auch das viel weiter nördlich gelegene Yorkshire hinter sich gelassen auf seinem stetigen Weg Richtung Schottland. 

Moin:



Antennen aufstellen, büdde:


Danke.

Der Bienenwolf liebt die Wärme. 

Und auf dem Rysumer Nacken hat er sich quasi ein kleinklimatisches Sahnestück als Lebensraum ausgesucht. Die sandige Fläche ist von recht hohen Birken und Silberweiden umstellt, die den fiesen Wind abhalten. Wenn die Sonne rauskommt, wird es an diesem Ort sehr schnell sehr heiß. 

Ein Traum für jeden Bienenwolf. 

An einem meiner Beobachtungstage, an dem sich die Sonne eher selten blicken ließ, tauchten zu allem Überfluss auch noch pechschwarze Wolken auf, die rasch von Westen her auf mich zudüsten. Bis zum Wagen waren es fünf Kilometer, und eine Schutzhütte hatte leider auch niemand für mich aufgestellt. 

Während ich also in einem dichten Birkengebüsch geduldig wartete und der Starkregen gnadenlos auf mich niederprasselte, entdeckte ich so ganz nebenbei einen etwa vierhunderttausendköpfigen Bestand des Rundblättrigen Wintergrüns!

Es war finster, deshalb gibt es jetzt nur ein Belegfoto von einer der Pflanzen:



while I was waiting in a dense and shady shrubbery for the rain to stop I found a Round-leaved Wintergreen "colony"

Mein letztes Wintergrün, ich weiß nicht einmal mehr, um welche Art es sich gehandelt hat, hatte ich vor über 30 Jahren am oberen Rand des Hollager Steinbruchs und somit im Landkreis Osnabrück gesehen!

Dieses Vorkommen auf dem Rysumer Nacken ist eine der beiden oben angekündigten großen Überraschungen.  

Kuckuck, ich bin eine Hosenbiene:


there lives and breeds one single female Pantaloon Bee among all these Bee Wolfs

Und ich lebe doch tatsächlich mitten in der Bienenwolf-Kolonie!

Als Hosenbiene hat man aber vor den Grabwespen absolut nichts zu befürchten. Denn die, das hatte ich ja bereits weiter oben verraten, erbeuten ausschließlich Honigbienen. 

Trotzdem kommt man auch als Hosenbiene nicht ohne Kontrahenten aus. 

Während ich also auf dem Boden lag und einen Bienenwolf fotografierte, fiel mir eine kleine Fliege auf, die direkt vor mir herumstand und auf etwas zu warten schien:



likely Miltogramma oestraceum

Da passiert gleich was, so dachte er. 

Ich war wirklich gespannt wie ein Flitzebogen und schoss vorsichtshalber schon mal ein paar Bilder von dem Winzling. 


Eine ganze Weile ging ich davon aus, dass sie etwas in Sachen Bienenwolf vorhatte, doch da lag ich falsch. 

Es war die Hosenbiene, die die Fliege permanent im Auge behielt.

Irgendwann schaute die Biene wieder aus ihrem Bau heraus:



note the blurry fly in the background

Wäre das hier ein Film, müsste jetzt eine die Dramatik betonende Musik erklingen, während der Fokus langsam zur lauernden Fliege im Hintergrund hinübergleitet:


fly is waiting for the bee to leave

Krass, oder?

Und kaum ist die Biene verschwunden (beachte den aufgewirbelten Sand im Eingangsbereich des Baus auf dem nächsten Foto), ...



... da taucht die Fliege auch schon ab:


Fly enters the burrow and lays her eggs. Few seconds later she emerged again

Sie legt laut Literatur ihre Eier schon oberhalb der Brutkammern ab, sodass die schlüpfenden Larven noch einen kleinen Weg zurücklegen müssen, wenn sie es bis zur prall gefüllten Speisekammer schaffen wollen. Nach nur wenigen Sekunden tauchte die Fliege jedenfalls wieder auf und tat gerade so, als wäre nichts passiert.

Die Fliegenlarven ernähren sich vom Proviant aus Nektar und Pollen, der eigentlich den Nachwuchs der Hosenbiene versorgen sollte, und möglicherweise sogar von der Bienenlarve selbst. 

Während der Abwesenheit der Hosenbiene wartet man als Satelleitenfliege, so heißt das Tierchen, geduldig auf ihre Rückkehr und sonnt sich ganz ungeniert neben dem Eingang, gerade so, als wäre es der Eingang zur eigenen Wohnung:


Einmal konnte ich sogar zwei gleichzeitig wartende Satellitenfliegen beobachten, die nach dem Abfliegen der Hosenbiene auch nacheinander in den Bau krabbelten. 

Doch woher kommt ihr deutscher Name?

Wenn man den exakten Standort des Bienenbaus noch nicht kennt, dann muss man sich eine Strategie einfallen lassen. Die Satellitenfliege postiert sich einfach an einem passenden Ort und wartet auf eine vorbeifliegende Hosenbiene. Wenn diese auftaucht, steuert sie auf sie zu und begleitet sie in geringem Abstand zum Nest. 

Als ich das sah, und ich sah das zum ersten Mal in meinem Leben, da musste ich unweigerlich an einen Passagierflieger denken, der mit der Unterstützung eines Düsenjets sicher zum Boden geleitet wird. Was mich allerdings im Falle der Satellitenfliege wundert, ist, dass sie so ein Hosenbienen-Nest nicht einfach anhand seines Geruchs erkennt und auffindet. Ich meine, gerade viele Fliegen sind doch bekannt für ihren unglaublichen Geruchssinn. 

Für den Bienenwolf stellt diese Satellitenfliege überhaupt kein Problem dar, weil sie dem Anschein nach auf die Hosenbiene spezialisiert ist. Ich habe auf der Sandfläche aber auch eine weitere, viel kleinere Satellitenfliegen-Art beobachten können, die es dem Anschein nach auf die Nester einer anderen Grabwespe abgesehen hatte. Und zwar auf die der so genannten Bienenjagende Knotenwespe, die deutlich kleiner als der Bienenwolf ist und ausschließlich kleinere Wildbienen erbeutet.  

In diesem Zusammenhang ist es vielleicht interessant, dass die Beutetiere der Knotenwespe noch eifrig zappeln, wenn sie zum Nest getragen werden, während die vom Bienenwolf gefangenen Honigbienen nach dem lähmenden Stich kaum mehr eine Regung zeigen. 

Die "Satellitenfliege" des Bienenwolfes ist übrigens bunt und eigentlich eine Wespe: 



Hedychrum rutilans, the Beewolf Cuckoo Wasp

Die bildhübsche Bienenwolf-Goldwespe parasitiert also den Bienenwolf. 

Sie krabbelt in den Bau, legt ihre Eier in den Brutzellen ab, und ihr Nachwuchs isst später alles auf, sowohl die eingetragenen Honigbienen als auch die Larven oder Eier des Bienenwolfs. Zumindest glaube ich das, denn es ist auch möglich, dass sich die Larven der Goldwespe mit den Honigbienen begnügen. 

Hier lauert ein Weibchen neben dem Eingang:




Cuckoo Wasp was waiting for the opportunity to get into the burrow

Es folgt eine andere Fliege, die mir immer nur ihr Hinterteil zeigte:



hovering male Eristalis intricaria 

Die hübsche Hummel-Keilfleckschwebfliege war an allen vier Tagen dabei und kann das, was ich hier beschreibe, bezeugen. 

Ich schwöre bei allen erfundenen Göttern. 

Eigentlich waren es sogar drei Männchen, die sich immer wieder kabbelten, weil sie sonst gerade nichts zu tun hatten. 




female Heptatoma pellucens wanted my blood. A lifer!

Jetzt sollte abermals die bereits vorhin erwähnte dranatische Musik ertönen, denn es ging wieder einmal ans Eingemachte:


same

Die Purpurringbremse gilt als selten. 

Doch wie man sehen kann, kommt sie auf dem Rysumer Nacken vor. 

An gleich mehreren Tagen fiel so ein Biest über mich her. Und im Gegensatz zu den Stichen aller anderen Bremsen hat man auch Tage später noch was vom Besuch der Fliege: nämlich heftig juckende Quaddeln!

Für mich war die Purpurringbremse eine neue Art, die ich bis zu ihrem spektakulären ersten Auftritt auch gar nicht kannte! 

Ich gehe davon aus, dass es sich an allen vier Tagen um dasselbe Weibchen gehandelt hat. Begründen kann ich das nicht so richtig, aber irgendwie tauchte es immer gegen Mittag auf. Und für ein zweites Individuum an einem Tag hat es nie gereicht. 

Ich ließ das Biest immer gewähren, weil die Purpurringbremse ja so selten ist und ich nicht für ihren Rückgang verantwortlich sein möchte. Mit meiner merhfachen Blutspende habe ich sie sogar unterstützt!

Hilfe, ein Alien:


maybe a Green Tiger Beetle

Da möchte man wirklich nicht zwischen die Mandibeln geraten!

Ich gehe von einem Feldsandläufer aus, kann aber andere Sandlaufkäfer-Arten nicht wirklich ausschließen. Auf der Sandfläche waren maximal sechs Individuen gleichzeitig unterwegs.

Und ich kann euch noch eine weitere bemerkenswerte Entdeckung präsentieren:




Common Winter Damselfly

Im vergangenen Herbst hatte ich meine erste Gemeine Winterlibelle überhaupt auf dem Rysumer Nacken gesehen. 

Ein Bild war mir damals aber nicht vergönnt gewesen. 

Doch jetzt hatte ich mehr Glück. Eine Kleinlibelle, die vor mir aufflog, bettelte förmlich um eine Überprüfung, zumal ich in diesem Bereich zuvor noch keine andere Kleinlibelle beobachtet hatte. Meinen Verdacht auf Winterlibelle konnte ich dann auch schnell mit einem Blick durchs Fernglas bestätigen. Und zwar nicht nur wegen der auf einer Seite des Abdomens abgelegten Schwingen.

Leider begegnete mir das Tier gegen Mittag. Und obwohl es bedeckt war, ist das nicht das Licht gewesen, das man sich zum Fotografieren wünscht. So ganz nebenbei: Keine der drei zuletzt vorgestellten Arten hat was mit der versprochenen zweiten Überraschung zu tun.

Vor allem in Nestnähe erinnert die Flugweise des Bienenwolfs an jene einer Schwebfliege. Ganz besonders die winzigen Männchen können einer Schwebfliege täuschend ähnlich sehen! Sie leben das Leben eines Gigolos und lungern im Dunstkreis der Weibchen herum. Oft sonnen sie sich einfach nur auf dem Boden oder fechten Kämpfe mit Kontrahenten aus. 

Damit ihr Leben überhaupt einen Sinn hat, müssen sie sich mit den Mädels paaren. Und die Art, wie sie das tun, ist wirklich keine schöne. 

Als Binenwolf hat man mit Romantik absolut nichts am Hut, eher kommt die Paarung einer Vergewaltigung gleich. Die Weibchen werden gerne dann angeflogen, wenn sie mit einer Honigbiene im Gepäck zu ihrem Nest zurückkehren. Dann geht alles ganz schnell, beide fallen zu Boden und beide fliegen nach einem kurzen Gerangel auch sofort wieder auf. 

Das war's schon!

Oft fielen gleich mehrere Kerle über eine Dame her, maximal waren es fünf gleichzeitig. Na ja, bei den Blutbienen, die ich ebenfalls an diesem Ort antraf, sah es auch nicht besser aus. Allerdings fielen hier die Männchen nicht gleichzeitig über ein Weibchen her, sondern kurz nacheinander. 

Das alles erinnerte mich an das Paarungsverhalten von Stockenten

Aber das nur so am Rande.

Das folgende Bild zeigt zwei weibliche und einen männlichen Bienenwolf:



one male and two females

Wenn die von mir (nicht ganz seriös) errechnete Zahl der erbeuteten Honigbienen (im Falle einer Bienenwolf-Kolonie mit etwa 100 Weibchen) halbwegs stimmen sollte, dann stellt man sich vielleicht die Frage, welche Auswirkungen die Verluste auf den Bestand der Honigbiene haben mögen. 

Tatsächlich galt der Bienenwolf lange Zeit als Schädling, doch der ist er natürlich nie gewesen. Er kann die Honigbiene allein schon deshalb nicht gefährden, weil er viel seltener ist als diese. Ein Bienenvolk allein soll schon aus – je nach Quelle – 40.000 bis 80.000 Individuen bestehen! 

Grundsätzlich sind Tiere, die sich von anderen Tieren ernähren, sehr viel seltener als diese. Das muss auch so sein, weil sie sich sonst ihrer eigenen Nahrungsquelle und Existenzgrundlage berauben würden. Nur so können Nahrungsketten überhaupt funktionieren. Nur so kann es ein intaktes ökologisches Gefüge geben. 

Alle wild lebenden Tiere halten sich an dieses essenzielle Gesetz. Es gibt viel mehr Gazellen und Zebras als Löwen, viel mehr Rehe und Wildschweine als Wölfe und viel mehr Wasservögel und Fische als Seeadler. Wasserflöhe sind viel häufiger als kleine Fische, und kleine Fische wiederum sind viel häufiger als große Fische, die sich von ihnen ernähren. 

Ein einfaches und logisches Prinzip, das natürlich nicht neu ist, dafür aber um so wichtiger.

Es gibt nämlich nur eine Spezies auf dem Planeten, die dieses Naturgesetz ignoriert. U. a. verstopfte Straßen, ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum, vor allem aber eine Verknappung aller Ressourcen (selbst Trinkwasser!), der Klimawandel, die Zerstörung natürlicher Lebensräume und das daraus resultierende und weltweit grassierende Artensterben sind das traurige Ergebnis dieser grenzenlosen Überheblichkeit. Wenn wir nicht bald und schnell gesundschrumpfen, auch hier in Deutschland, durch Einsicht und einen starken Geburtenrückgang und nicht etwa durch Kriege, Krankheiten oder andere Katastrophen, dann wird am Ende nichts übrig bleiben von der wunderbaren Artenvielfalt. 

Ich weiß natürlich, die Artenvielfalt und ihr Niedergang interessieren keine Sau. 

Aber dann können wir es auch lassen, immer nur an den Symptomen herumzudoktern und z. B. sinnfreie E-Autos zu bauen oder weniger Verpackungsmüll zu produzieren und all diesen Unsinn dann auch noch als den Heilsbringer zu feiern. Selbst dann, wenn sich alle Menschen einschränkten bis zum Geht-nicht-mehr, käme am Ende nichts Zählbares dabei heraus, denn wenigstens essen wollen und müssen wir alle. 

Die Zahl der Menschen ganz allein, ob nur in Deutschland oder auf der ganzen Welt, ist die einzige Ursache für alle Probleme, die wir heute haben! In unserer Republik wird aus diesem Grund jeder Quadratmeter bebaut, intensiv bewirtschaftet oder auf eine andere Art und Weise verändert. Schaut man sich unser Land auf Google Maps von oben an, erkennt man schnell das erschreckende Ausmaß.

Ich weiß nicht, wie es weitergehen wird. 

Doch befürchten muss man Schlimmstes, vor allem wenn man sich für die Natur begeistert. Die Überbevölkerung ist ein Tabuthema, das niemals in einer öffentlichen Nachrichtensendung vermeldet werden wird, obwohl doch inzwischen selbst der größte Ignorant nicht mehr wegsehen kann. Und selbst wenn einem die Natur am Arsch vorbeigeht, was machen wir eigentlich in Deutschland, wenn Putin verstimmt ist und den Gashahn zudreht? Heizen wir dann mit Holz? Und falls ja, woher soll es kommen in dieser Menge? Was machen wir, wenn auf drei heiße Sommer plötzlich ein Winter folgt, der keinen Regen bringt? Plündern wir dann, wenn wir Durst verspüren, ALDIs Getränkeabteilung? Wo bauen wir unsere Nahrungsmittel an, wenn es zwischen den Ortschaften, die immer weiter zusammenwachsen, plötzlich kein Land mehr gibt?

Und so weiter.

Alles hängt längst am seidenen Faden. Und wenn man ehrlich ist, dieser Faden ist mindestens halb durch. An Warnungen mangelt es auch heute nicht, doch die meisten Menschen haben leider ein sehr dickes Fell und absolut keinen Bezug zur Natur.

Der Planet ist, wie ich finde, nicht unser Eigentum. Und oft frage ich mich, mit welchem Recht wir uns so breit machen. Was würden die Bürger in Deutschland sagen, wenn es hier so viele Wölfe, Kormorane, Nonnengänse oder Wildschweine wie Menschen gäbe?

Ihr kennt die Antwort.

Das pralle Leben (und Sterben) auf der kleinen Sandfläche auf dem Rysumer Nacken hat mich absolut fasziniert. Wie der Holzstoß im Fliegenwald (vorletzter Bericht) ist so ein Habitat irgendwie ein ganz eigener Kosmos. Ein Kosmos, den man in der ostfriesischen Agrarsteppe vergeblich suchte. So viele Stechimmen-Arten auf engstem Raum, von denen ich die meisten gar nicht benennen könnte, das war und ist der absolute Wahnsinn!

Und so ganz nebenbei sah ich dort zwei spielende Iltisse sowie die ersten wegziehenden Trauerschnäpper und Gartenrotschwänze

Guten Morgen, Frau Bienenwolf:


Der Bau der Brutröhre kann mitunter schwierig werden, wenn man beim Buddeln auf Pflanzenwurzeln stößt und sich die Mundwerkzeuge darin verheddern:


Aber weil man sich als Bienenwolf an die elementarsten Naturgesetze hält, bekommt man es immerhin niemals mit unlösbaren Problemen zu tun. 

So, Kinners, zu guter Letzt gibt es jetzt die zweite Megaüberraschung dieses Beitrages:

Mystery Wasp (right) is brandnew for Ostfriesland, first record ever! A lifer for me! Even better than an Isabelline Wheatear!

Es geht um das rechte Tier.

Das linke ist natürlich wieder eine weibliche Gemeine Sandwespe, die im Moment des Auslösens ganz zufällig durchs Bild huschte. Wie passend, so dachte ich, denn jetzt hatte ich einen direkten Größenvergleich. 

Das Rätseltier ist ein echter Neubürger.

Und zwar ein ganz spektakulärer, der hiermit zum ersten Mal überhaupt für Ostfriesland nachgewiesen werden konnte! 

Um wen genau es sich hier handelt, verrate ich aber erst in einem späteren Beitrag, weil ich mir immer noch Hoffnungen auf bessere oder überhaupt passable Bilder mache. 

Das wird schwierig genug werden, wenn nicht gar unmöglich, denn dieses Tier ist an sechs verschiedenen Tagen jeweils nur einmal und stets für einen kurzen Augenblick auf der Sandfläche aufgetaucht. Es landet, steht einfach nur herum, um dann nach nur zwei Sekunden wieder durchzustarten.

Diese Zeit reicht nicht einmal aus, um die Kamera überhaupt nur anzuheben.

Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.