Sonntag, 20. Februar 2022

Flinker Wind

Kinners, Ylenia und vor allem Zeynep haben überraschend wenig Schaden angerichtet hier in Ostfriesland und vor meiner Haustür.

Vor allem während Zeyneps spektakulärem Auftritt war der Wind besonders flink unterwegs. Kaum hatte mit Einbruch der Dunkelheit alles begonnen, da hörte man auch schon die ersten Sirenen der Feuerwehr.

Nicht nur einmal, sondern gleich in x-facher Ausfertigung. Es ging wirklich hin und her, sodass ich die Musik etwas lauter drehen musste. Weil ich unter solchen Bedingungen meine Wohnung natürlich nicht verlasse, schon gar nicht bei Dunkelheit, konnte ich nur darüber spekulieren, was genau sich da draußen gerade abspielte.

Irgendwann klopfte meine Vermieterin bei mir an, ob ich ihr helfen könne. 

Erst wollte ich mich tot stellen und einfach nicht öffnen, aber dann ging mein guter Kern wieder mit mir durch. Die arme Frau hatte die Jalousie ihrer Haustür während des Sturmes aus Schutzgründen herunterlassen wollen und der Wind diese sich ihm plötzlich bietende einmalige Gelegenheit sofort genutzt und sie beidseitig aus den Bahnen gezerrt. Jetzt schlackerte das metallene Biest wie zum Leben erweckt heftig in den Böen und knallte immer wieder gegen Tür und Hauswand. Viel hätte wohl nicht mehr gefehlt und das Teil hätte auch noch Feuer gespien. 

Gemeinsam konnten wir es aber nach kurzem Kampf bändigen, indem wir es auseinandernahmen und aufgerollt in der Garage verstauten.

Was lehrt uns das?

Man lässt eine Jalousie entweder vor oder nach, aber niemals während eines Sturmes herunter.

Am Tag nach Zeynep, das war der gestrige Samstag, sah ich einige umgeschubste Bäume, zum Teil welche, die nicht mehr ganz jung waren und in ihrem Leben ganz bestimmt den einen oder anderen schweren Sturm heil überstanden hatten, nur um jetzt doch nachzugeben. Zwei Schwedische Mehlbeeren in meiner Straße hat es leider auch erwischt.  

Ich vergoss zwei Tränen und besuchte dann die Wasserkante. Kinners, noch nie habe ich so viel Teek am Deichfuß liegen sehen. Sowohl in der "Bucht" bei Manslagt als auch entlang des Störtebekerdeiches in der Leybucht sah es wirklich krass aus. Da sind die Salzwiesen aber mal so richtig abrasiert worden.  

Fotos habe ich aber keine gemacht.

Stattdessen habe ich nach beringten Strandpiepern geguckt und dann auch noch ein mutmaßliches Rochen-Ei gefunden, das ich später ganz ansprechend vor meinem Badezimmerspiegel platzierte:





marine "Schickschnack" in my bathroom

Es wächst, mein kleines marines Stillleben.  

Was ist dort zu sehen?

Ein von der Brandung gerundeter Ziegelstein, der leere Carapax einer Strandkrabbe, der Schulp eines kleinen (Gemeinen?) Tintenfischs, die Schalen einer Pazifischen Auster (ohne Perle) sowie eine mittelgroße Wellhornschnegge und eine weitere Muschel, die ich noch weniger sicher bestimmen kann als all die anderen Teile. 

Zwei Schwarzkehlchen haben den bisherigen Winter am Ufer des Störtebekerkanals bei Neuwesteel verbracht. 

Die Frau auf ihrer Lieblingswarte an einem dunklen Tag ohne Licht:


winterly Stonechats are not too uncommon

Die Warte gefällt mir überhaupt nicht, aber sie stand halt schon da und wurde von den Vögeln immer wieder angesteuert.

Ich meine, wenn sie älter und verwitterter gewesen wäre, dann würde ich mich jetzt wirklich nicht beschweren.

Dasselbe Weibchen:


same female

Und noch ein weiteres Bild von der Dame:



same

Bereits am 30. Januar hatte es einen stürmischen Tag gegeben:


storm

Etwa zwei oder sogar schon drei Stunden vor Erreichen der Hochwassermarke war das Hafenbecken an der Spitze des Leyhörn übergelaufen. 

Mächtige Wellen klatschten am frühen Morgen gegen die Betonmauer, und das Wasser schoss in die Höhe. Es war noch sehr finster; wirklich schöne Bilder konnte ich da nicht schießen. Trotzdem gab ich alles und hielt einfach drauf.

Immer und immer wieder:



a young Kittiwake showed up

Dass da eine Seemöve durchs Bild flog, bemerkte ich während des Fotografierens gar nicht.  

Dauerfeuer:



same

Erst zu Hause am Rechner sah ich sie.

Und es handelte sich doch tatsächlich um eine Dreizehenmöwe im zweiten Kalenderjahr und somit um meine erste Dreizehenmöwe in diesem Winter. 

An anderen Orten entlang der Küste sind deutlich mehr Individuen beobachtet worden; mindestens drei Vögel hat der Wind sogar tief ins Binnenland gepustet, eine nach Sachsen-Anhelt, zwei weitere nach Sachsen.  

Die in Deutschland nur auf Helgoland brütende Dreizehenmöwe lebt außerhalb der Brutzeit ausschließlich auf hoher See und wird in Ostfriesland nur während oder im Anschluss an heftige Stürme festgestellt – auf den Inseln deutlich häufiger als an der Festlandküste.

Auch die so hübsche Zwergmöwe gelangt im Winter fast nur im Rahmen von starken Westwinden an unsere Küste:


this pretty adult Little Gull foraged among other Gulls and looked for Earthworms

Dieses adulte Individuum suchte zusammen mit Sturm- und Silbermöwen den Asphalt nach Regenwürmern ab, was auch gut klappte.

Am 10. Februar entdeckte ich am Himmel über Neuwesteel zwei Kraniche:




Common Crane 

Obwohl dieser Riesenvogel auf der Geest und somit nur wenige Kilometer entfernt in wahrscheinlich fast allen Moorkörpern brütet, taucht er in der Krummhörn nur selten auf. 

Es mangelt hier einfach an für eine Brutansiedlung geeigneten Flächen. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass sich dieses Paar auf der Suche nach einem Revier befand. 

Am 7. Februar 2022 parkte ich Corsilein am Mahlbusen bei der so genannten Paddel- und Pedalstation. Zunächst machte ich mich von dort aus auf Richtung Greetsiel, doch nach einigen Kilometern auf dem Absatz kehrt, um entlang des Deiches nach Norddeich zu gehen. Kurz bevor ich dort ankam, entdeckte ich eine Trottellumme, die bei auflaufendem Wasser im Watt ruhte. 

"Geduld!", so rief ich ihr zu: "Das Wasser ist schon auf dem Weg!

Auf meinem Rückweg schwamm der Vogel bereits und putzte sich eifrig:



like Kittiwake Common Murre can only be seen in Ostfriesland after heavy storm

Und obwohl er recht fit wirkte, wird er wohl trotzdem gestorben sein. 

Die Trottellumme taucht, wie die Dreizehenmöwe, nur im Rahmen von Stürmen an unseren Küsten auf, weil sie, ebenfalls wie die Dreizehenmöwe, außerhalb der Brutsaison auf offener See lebt. Die meisten Individuen, die man unter solchen Bedingungen beobachten kann, sind aufgrund von Krankheit oder Verölung geschwächt. 

Eine traurige Geschichte. 

An diesem Tag habe ich übrigens 28 Kilometer zurückgelegt. Natürlich zu Fuß, in einem Stück – wenn man eine dreiminütige Pause auf einer Bank in Norddeich mal großzügig ignoriert – und bei recht starkem Wind. Nass geworden bin ich auch einige Male, aber der meiste Regen ging vorbei.

Hier wieder das Schwarzkehlchen-Weibchen:



same

Das Männchen ließ sich auch nicht lange bitten:





husband

Ganz groß:


same

An einem anderen Tag, der genauso finster war, an Esche:


same

Und auch das Weibchen mal auf einer anderen Warte stehend:


female

Vielleicht ist das auch schon das letzte Bild von dieser SK-Dame. 

Denn gestern, am Tag nach Zeynep, habe ich einen Kontrollbesuch am Störtebekerkanal durchgeführt. 

Der Kerl war noch da, doch die Frau leider nicht. Vielleicht hat sie der flinke Wind in der vorausgegangenen Nacht einfach davongetragen.

Für heute Nachmittag oder den Abend ist bereits der nächste Sturm angekündigt worden.  

Antonia soll sich schon irgendwo im Westen in Lauerstellung befinden.

Immerhin: Die demolierte Haustür-Jalousie meiner Vermieterin liegt schon sicher in der Garage.

Jetzt regungslos.

Vielleicht sogar tot.